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Klagenfurt – Eine gute und eine schlechte Nachricht für alle, die schon nichts mehr von ihr hören können. Die schlechte zuerst: Nicht nur in den Headlines lag sie an der Spitzenposition, auch bei den Lesungen selbst stand Stefanie Sargnagel allen anderen Teilnehmern vor. Als Erste nahm sie am ersten Lesetag am Pult Platz. Und jetzt die gute: bis Sonntag wird an dieser Stelle von ihr also nicht mehr die Rede sein.

"Nicht ganz neu, aber gut gemacht", eröffnete Hubert Winkels die Diskussionsrunde zu Sargnagels Text Penne vom Kika, den er als "eine Hochdifferenzierung über das Thema Entdifferenzierung" einschätzte. Zwischen sensibel und inkorrekt führten die elf Seiten über das Leben als Autorin und das Beislmilieu die Ich-Erzählerin erst auf den Eislaufplatz und schließlich in ein Kika-Restaurant zu nach nichts schmeckenden Nudeln.

Damit "viel zufriedener, als ich gedacht habe", war nicht nur STANDARD-Redakteur und Juror Stefan Gmünder. "Der Text ist klüger und tiefsinniger, als er tut", pushte Klaus Kastberger. "Spielfreude" erkannte Hildegard Keller. Eine "Sehnsucht nach Intensität" und einen "Wechsel aus Kreation und Depression" mündend in eine "Sehnsucht nach Ruhe" ortete Sandra Kegel, die die Autorin eingeladen hatte. Einzig Meike Feßmann befand: "gefällig, gewöhnlich, im Quasselmodus voller abschnurrender Klischees".

Viel wollen und Wohlwollen

Wie wohltuend diese Entspanntheit im Unterlaufen literarischer Tradition aber tatsächlich war, verdeutlichte dann Sascha Macht. Dessen eher vage gebliebene Zukunftsdystopie Das alte Lied von Señor Magma machte sprachlich einige übervolle bis schwülstige Kilometer, um sich zu nobilitieren. Steckengeblieben in einem Berg aus gewollter Bedeutung (Kastberger) und "Überdeterminiertheit" (Winkels), lauteten die ersten Urteile. "Seltsamer Konservatismus" (Kegel) und "sprachliche Indifferenz" (Feßmann) ließen auch weiter wenig Gutes daran.

Allgemeines Wohlwollen erntete hingegen Marko Dinićs Romanauszug Als nach Milošević das Wasser kam. Ohne eine gültige Wahrheit zu beanspruchen und mit klarer Sprache schaut der serbische, in Salzburg lebende Autor darin durch die Augen eines Heranwachsenden von einmal elf und einmal 18 Jahren auf Slobodan Milošević und das Kriegs-Belgrad Ende der 1990er. Einstimmig waren alle Juroren beeindruckt davon, wie der Autor "ohne Brimborium mit dem historischen Thema umzugehen" (Gmünder) wusste und diese Abrechnung niederschwellig und einleuchtend mit privaten Aspekten verband.

"Genügt Ihnen das wirklich?"

Die Nachmittagslesungen boten stilistisch wiederum ganz anderes. Unter dem Titel Mezzanin: Stücke las Bastian Schneider 29 Prosaminiaturen vor: über Schuhe, Handschuhe, Piraten, Stärke, Suppe oder Engel. Für Gmünder, der Schneider nominiert hatte, war die Textsammlung mehr als ihre verbundenen Einzelteile – für den Rest der Jury allerdings nicht. Zwar erkannte auch Kegel in den sprachlich unaufgeregten Beobachtungen immer wieder "das Besondere". Doch überwog bei ihr wie den anderen die Skepsis gegenüber den oft nur wenige Zeilen kurzen Texten. Das zusammengefasste Urteil: zu wenig Risiko, dafür Betulichkeit und mangelhafte ästhetische Formation.

Mit einer Zukunftsgeschichte, die Drogen und einen Hasen, fernöstliche Philosophie und Computer, einen Autor, den Literaturbetrieb und eine Vater-Sohn-Geschichte verflocht, beendete Selim Özdogan den Tag. "Ein starkes, tolles, tollkühnes Zauberstück", befand Hildegard Keller begeistert und "ein Können, das nicht mit Belesenheit spielen muss", attestierte Steiner. Zweifel an der Substanz dieser "diffusen Gemengelage" meldete neben Kastberger bei aller Vergnüglichkeit u. a. auch Feßmann an: "Genügt Ihnen das wirklich?"

Kurz: Die Texte vom Donnerstag waren inhaltlich und formal so verschieden wie nur möglich. Ebenso uneinig waren sich die Juroren. (Michael Wurmitzer, 1.7.2016)