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Weltweit werden wieder Atomkraftwerke gebaut. Am Golf von Bengalen protestierten 2012 Aktivisten gegen das AKW Kudankulam.

Reuters

Frankreich hat derzeit nicht nur bei der Fußball-EM einen Heimvorteil. Bei der World Nuclear Exhibition in Le Bourget sind die französischen Atomkonzerne Areva und Électricité de France (EDF) auch umfangmäßig klar die Platzhirsche. Aber nicht nur an ihren Ständen wird Champagner serviert. Ein halbes Jahrzehnt nach dem Unglück im japanischen Fukushima startet die Branche wieder durch: 680 Anbieter aus der ganzen Welt sind nach Le Bourget gekommen, ein Drittel mehr als bei der letzten Weltnuklearmesse vor zwei Jahren.

Umweltverbände oder AKW-Kritiker sind nicht zu sehen – die Branche ist unter sich. "Wir glauben an die Atomkraft", sagt Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron. Rund um den Planeten, von den USA bis nach Taiwan, werden heute wieder Kernkraftwerke gebaut – deren 64, um genau zu sein. Nur Deutschland und die Schweiz sind im Pressedossier der Messe als kleine rote Aussteiger gekennzeichnet. Dass andere Länder wie Österreich oder Italien ebenfalls nichts von Atom wissen wollen, wird übergangen.

Marktführer in der Krise

Im Saal der "Business-Gelegenheiten" erzählt der polnische Energieminister Andrzej Piotrowski, dass sein Land 30 Jahre nach Tschernobyl wieder zwei Atomkraftwerke errichte. Alle Nachbarn Polens täten es ihm gleich – mit Ausnahme Deutschlands.

Das Bild von der strahlenden Atomindustrie täuscht allerdings – zumindest, was Europa betrifft. Die französischen Marktführer stecken in der Krise. Ihre im Bau befindlichen Druckwasserreaktoren EPR – die sogenannte dritte AKW-Generation – produzierten bisher nur technische Probleme, jahrelange Verzögerungen und Kostenüberschreitungen. Areva muss mit Staatsgeldern am Leben gehalten werden; EDF zögert, sich auf das AKW-Großprojekt im britischen Hinkley Point einzulassen.

So sehen sich die französischen Atomfirmen sogar bei ihrem Heimspiel hart bedrängt von der Konkurrenz. Am meisten trumpfen Billiganbieter aus Russland, China und Korea auf.

"Wir werden immer besser"

Am Stand des koreanischen Staatskonzerns Kepco, der den Franzosen einen 20-Milliarden-Auftrag in den Arabischen Emiraten abgeluchst hat, lacht Manager Woojin Son: "Ja, wir werden immer besser. Und wir sind viel günstiger als der Westen!" Im großen Saal leitet Dongshan Zheng, Vizedirektor von China Nuclear General (CNG), eine Debatte über Minikernkraftwerke, sogenannte SMR, die vor allem für Entwicklungsländer geeignet sind. Die Chinesen planen Kraftwerke wie in Pakistan und bieten ihre Kapitalkraft auch westlichen AKW-Erbauern wie EDF in Hinkley Point.

Und wenn sich die EDF zurückziehen sollte, weil ihr das Vorhaben zu riskant ist, sprängen sofort die Russen in die Bresche. "Wir verfolgen die Vergabe in Hinkley Point aus nächster Nähe", erklärt Kirill Komarov, Vizechef des russischen Atomkonzerns Rosatom, der sich in Le Bourget mit einem großen Stand in Szene setzt.

"Die Russen markieren heute an allen Nuklearmessen Präsenz", sagt beim deutschen Edelstahlhersteller BGH ein Standverkäufer, der namentlich nicht genannt sein will. "Aber mal ehrlich, wer würde ein russisches AKW kaufen?"

Die eher herablassende Bemerkung wird nicht überall geteilt: Rosatom baut derzeit weltweit 16 Reaktoren von Argentinien über Finnland bis nach Indien; ebenso viele Aufträge sind in Vorbereitung. "Wir suchen auf der ganzen Welt Abnehmer", meint Komarov und zählt interessierte Länder auf: Ägypten, Jordanien, Vietnam oder Bangladesch.

Französische Probleme

Areva und EDF haben hingegen seit langem keinen französischen Reaktor mehr ans Ausland verkauft. Dabei bieten die Franzosen das höchste Sicherheitsniveau – bis hin zu einer "schnellen nuklearen Einsatztruppe", die vor dem Messegelände eine Trockenübung durchführt. Chinesen und Russen müssen weniger Rücksicht auf kernkraftskeptische Bevölkerungen nehmen, meint das Londoner Forschungsbüro Chatham House: "Sie haben ihre Zuverlässigkeit noch nicht unter Beweis gestellt, und man weiß nicht viel über die Sicherheitsnormen ihrer Reaktoren." (Stefan Brändle aus Le Bourget, 1.7.2016)