Wien – Österreichs Gastwirte und politische Parteien mitsamt ihren tausenden Vorfeldorganisationen haben bereits Ausnahmen von der Regel erwirkt. Nun unternehmen auch Psychotherapeuten den Versuch, sich der ungeliebten Registrierkassenpflicht zu entziehen.

Rund 90.000 Menschen sind in Österreich in psychotherapeutischer Behandlung. Die Finanzierung auf Basis der Krankenkassen ist eingeschränkt. Jeder Dritte bezahlt sich die Therapie selbst. Pro Behandlungseinheit gewährt die Kasse nur Zuschüsse von 21 Euro.

Bisher erhielten Patienten nach jeder Therapiestunde oder einmal im Quartal eine Honorarnote. Diese diente auch als Beleg für die Krankenkasse. Die neue Regelung sieht künftig bei jeder Barzahlung zwingend Papierquittungen vor – auch wenn außerhalb der Praxisräume therapiert wird. Die Branche befürchtet, dass mit der damit verbundenen Bürokratie und Zettelwirtschaft die Vertraulichkeit der Behandlung verlorengeht.

"Durchlöchert wie Schweizer Käse"

"Die Verschwiegenheitspflicht des Psychotherapeuten ist strenger als jene des Arztes. Sie wird in Zukunft durchlöchert sein wie ein Schweizer Käse", warnt Wolfgang Schimböck, Mitglied des Präsidiums des Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie, der knapp 4000 Mitglieder zählt. Schimböck sieht in Steuerbüros Belege herumkugeln und Unbefugte unerwünscht Einblick in gespeicherte EDV-Daten nehmen.

Die Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen sei nach wie vor hoch, vor allem auf dem Arbeitsmarkt, sagt Schimböck und verweist auf entsprechende Studien des Linzer Soziologen Alfred Grausgruber. Er befürchtet, dass Betroffene nun den Weg zum Therapeuten meiden. Dass seine Branche teils an der Steuer vorbei arbeitet, weist er zurück: Dies verhindere in der Regel die Möglichkeit der Zuschüsse durch die Krankenkasse. (Verena Kainrath, 1.7.2016)