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Migranten in einem Internierungslager in Tripolis.

Foto: REUTERS/Ismail Zitouny

Tripolis/Wien – In Libyen hat es begonnen, und in Libyen soll es wieder enden. So lautet auf den Punkt gebracht die Hoffnung der EU-Verantwortlichen in der Flüchtlingskrise. Durch das Ende der Gaddafi-Ära versank das nordafrikanische Land nicht nur im Chaos, sondern entwickelte sich auch zum stark frequentierten Tor nach Europa. Jetzt, wo nach jahrelangen Machtkämpfen eine international anerkannte Einheitsregierung gebildet wurde, hofft Brüssel auf einen Deal à la Türkei, um die Flüchtlingsbewegungen über das Mittelmeer zu stoppen. Doch die Menschenrechtslage in Libyen ist weit schlimmer als in der Türkei, wie ein aktueller Bericht von Amnesty International zeigt.

Um die Rahmenbedingungen noch einmal kurz zu skizzieren: Hunderttausende Migranten vor allem aus dem subsaharischen Raum machten oder machen sich auf den Weg nach Libyen, um dann mit Schleppern nach Europa zu gelangen. Gerade in den vergangenen Tagen nahmen die Ankünfte in Italien wieder zu (siehe hier). Die meisten von ihnen stammen laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) aus Eritrea, Somalia, Gambia, Nigeria, dem Sudan und der Elfenbeinküste.

Die Zahlen über jene, die in Libyen auf die Überfahrt nach Europa warten, variieren seit Monaten zwischen 200.000 bis zu einer Million. Zuletzt schätzte die EU-Grenzschutzagentur Frontex, dass in diesem Jahr etwa 300.000 Flüchtlinge per Boot über das Mittelmeer nach Europa kommen werden. Um genau dies zu verhindern, soll mit Tripolis ein ähnliches Abkommen wie mit Ankara beschlossen werden.

Vergewaltigung, Missbrauch, Folter

Der EU-Türkei-Deal wurde begleitet von massiven Menschenrechtsbedenken, und nun berichtet Amnesty auch von Gewalt und Missbrauch in Libyen bzw. auf dem Weg nach Libyen. Die NGO hat mit rund 90 in Italien angekommen Migranten über die Situation im nordafrikanischen Land gesprochen. Und viele von ihnen berichten von Vergewaltigungen, Missbrauch, Folter und Schlägen durch bewaffnete Gruppen und Schlepper.

Antoinette etwa, eine 28-jährige Kamerunerin, erzählt den Schleppern, die sie gefangen gehalten haben: "Mich haben sie nicht vergewaltigt, vielleicht, weil ich mein Kind bei mir hatte. Aber ich habe gesehen, dass sie Schwangere und Frauen ohne Kinder vergewaltigt haben."

"Ich wollte nicht mein Leben verlieren"

Die 22-jährige Ramya sagt, dass sie mehrere Male vergewaltigt wurde, als sie Libyen im März 2015 erreichte und in Adschdabiya eingesperrt war. "Die Wächter trinken und kiffen, dann kommen sie rein und suchen sich eine Frau aus. Denen, die sich weigerten, wurde eine Pistole an den Kopf gehalten. Ich wurde zwei Mal von drei Männern vergewaltigt. Ich wollte nicht mein Leben verlieren", so die Frau aus Eritrea.

Abdulla, ebenfalls aus Eritrea, erzählt, was passiert, wenn jemand nicht genug Geld hat, um den Transport zu bezahlen. Ein Mann, so der 20-Jährige, wurde von Schmugglern durch einen Stromschlag im Wasser getötet. "Sie sagten, jedem anderen, der nicht zahlen kann, ereilt dasselbe Schicksal."

Gewalt durch die Küstenwache

Zudem warf Amnesty der libyschen Küstenwache bereits vor zwei Wochen willkürliche Gewalt gegen Flüchtlinge und Migranten vor, die auf dem Meer aufgegriffen wurden. Diese seien geschlagen und beschossen worden, hieß es. Viele Aufgegriffene seien in libysche Haftzentren gebracht worden, wo ihnen Folter und Misshandlung drohten, so die NGO. Außerdem berichtete sie von einem Fall, bei dem die libysche Küstenwache 120 Menschen an Bord eines sinkendes Boot im Stich ließ.

"Die libyschen Behörden müssen dringend handeln, um die Rechte von Flüchtlingen und Migranten in ihrem Land zu gewährleisten", fordert Magdalena Mughrabi, Amnesty-Direktorin für Nordafrika und den Nahen Osten anlässlich des neuen Berichts. (ksh, 1.7.2016)