Für Doris Bures hat der Hypo-Ausschuss sein Ziel erreicht. Sie sieht keinen Bedarf für eine Änderung der Spielregeln.

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Wien – Der zu Ende gehende Hypo-U-Ausschuss war der erste unter einem neuen Regelwerk. Seit der 2014 beschlossenen Reform der Verfahrensordnung genügt schon ein Viertel der Abgeordneten im Nationalrat, um einen solchen Ausschuss einzurichten. Zuvor brauchte es dafür eine Mehrheit – und damit die Zustimmung der Regierungsparteien. Für die Vorladung von Auskunftspersonen reicht nun ebenfalls ein Minderheitenbeschluss.

Die Änderungen ernteten Lob von vielen Seiten, die Rede war von einer Stärkung der parlamentarischen Demokratie. Weil die Erstanwendung der neuen Regeln Präzedenzfälle für kommende Ausschüsse liefert, wurde um die Auslegung vieler Punkte trotzdem heftig gestritten. Nach wie vor fordern die Oppositionsparteien weitergehende Minderheitenrechte und mehr Mitsprache auch während eines laufenden Ausschusses, außerdem sollen staatsnahe Unternehmen uneingeschränkt Akten liefern müssen.

Neu ist auch, dass den Vorsitz nicht mehr ein Ausschussmitglied führt, sondern der Parlamentspräsident und dessen Stellvertreter. Für Doris Bures hat die neue Verfahrensordnung ihre Bewährungsprobe bestanden.

STANDARD: Was hat der Hypo-U-Ausschuss aus Sicht der Bürger gebracht?

Bures: Es hat in Kärnten einen U-Ausschuss zur Hypo gegeben, es hat den Griss-Bericht gegeben, den Rechnungshofbericht und Gerichte, die sich mit dem Kriminalfall Hypo beschäftigen. Mit diesem Ausschuss haben wir jetzt eine Gesamtbetrachtung. Das Parlament hatte im Zuge dessen die Möglichkeit, sich alle Daten und Fakten zu holen. Die Frage ist: Wer hat zu welchem Zeitpunkt politische Entscheidungen zu verantworten – und das ist schon deutlich geworden. Wer die Erwartung hatte, man könne etwas ungeschehen machen, ist falsch gelegen. Man kann aber Licht in die Sache bringen und Schlüsse ziehen.

STANDARD: Es überwiegt der Eindruck, die Aufklärung ist im Parteien-Hickhack untergegangen.

Bures: Wir haben sechs Fraktionen im Parlament, da gibt es unterschiedliche Gewichtungen und Einschätzungen. Am Ende wird es trotzdem einen Bericht des Verfahrensrichters und Stellungnahmen aller Fraktionen geben. Darin werden auch Empfehlungen und Schlussfolgerungen stehen.

STANDARD: Welche Lehren kann man aus der Causa Hypo ziehen?

Bures: Es braucht eine starke Regulierung der Finanzmärkte, auf europäischer und nationaler Ebene. Der Ausschuss hat zum Beispiel gezeigt, dass für Staatskommissare in staatsnahen Unternehmen keine klar definierten Verantwortlichkeiten festgelegt sind. Das muss sich ändern, konkrete Regelungen wird der Nationalrat festzulegen haben. Andere Dinge wurden schon verbessert, beispielsweise strengere Compliance-Regeln. Es ist heute nicht mehr möglich, als Vorstandsvorsitzender direkt auf den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden zu wechseln und sich selbst zu kontrollieren, wie noch bei Ex-Hypo-Chef Wolfgang Kulterer.

STANDARD: In den Befragungen hat es keinen roten Faden gegeben. Wie kann man die Aufteilung der Redezeit effizienter gestalten?

Bures: Das ist keine Frage der Verfahrensordnung, die gut funktioniert, sondern der organisatorischen Abstimmung zwischen den Fraktionen. Es hat mehrere Anläufe gegeben, die minutengenaue Beschränkung der Fragezeit der Abgeordneten und die Redereihenfolge neu zu klären. Eine Einigung hat es nie gegeben.

STANDARD: FPÖ, Neos und Team Stronach würden die neu geschaffene Position des Verfahrensrichters am liebsten gleich wieder abschaffen – man brauche sie nicht.

Bures: Ein Richter kann mit seiner beruflichen Erfahrung bei der Fragestellung einen wichtigen Beitrag leisten. Außerdem wird der Verfahrensrichter über den Sommer den Entwurf des Abschlussberichts zusammenschreiben. Neben dem Minderheitenrecht ist dieser Bericht einer der Gründe, warum der U-Ausschuss als Instrument an Kraft gewonnen hat. Der Bericht liefert eine Conclusio.

STANDARD: Hat der Verfahrensrichter als Einzelperson da nicht einen zu großen inhaltlichen Spielraum?

Bures: Die Schlussfolgerungen im Bericht sind auf Grundlage von Akten und Aussagen zu belegen. Das ist ein Richter, da geht es nicht um persönliche Einschätzungen. Außerdem kann jede Fraktion ihre Stellungnahme abgeben. Danach kommt der Bericht ins Plenum des Nationalrats und wird veröffentlicht. Es wird also eine transparente Diskussion geben.

STANDARD: Werden Sie dem Entwurf von Verfahrensrichter Pilgermair ohne Änderungen folgen?

Bures: Ohne ihn heute zu kennen, gehe ich davon aus, dass der Entwurf mit großer Wahrscheinlichkeit zu hundert Prozent zu übernehmen und den Fraktionen zu übermitteln ist.

STANDARD: Obwohl von zentraler Bedeutung, musste ausgerechnet die Hypo-Abbaugesellschaft Heta keine Akten liefern. Sollten alle vom Rechnungshof geprüften Unternehmen liefern müssen?

Bures: Der Hypo-Ausschuss hat auch rechtliche Klärungen für zukünftige U-Ausschüsse herbeigeführt – etwa, dass Schwärzungen bei für den Ausschuss relevanten Informationen unzulässig sind. Der Verfassungsgerichtshof hat festgestellt, dass die Heta aufgrund der jetzigen gesetzlichen Regelungen nicht alle Akten liefern muss. Es obliegt dem Gesetzgeber, das zu ändern. Da stellt sich auch die Frage, wie man mit Geschäftsgeheimnissen umgeht. Ich bin grundsätzlich der Meinung, es muss größtmögliche Transparenz geben, damit die Abgeordneten ihrer Kontrollaufgabe nachkommen können.

STANDARD: Eine Frage der Transparenz ist auch, warum es keine Live-Übertragung von U-Ausschüssen gibt, wie etwa in Deutschland. Was spricht dagegen?

Bures: Ich glaube, dass die jetzige Form der Öffentlichkeit eine gute ist. Es wurde medial umfangreich berichtet, der überwiegende Teil der Befragungen war öffentlich. Ich glaube nicht, dass da akuter Handlungsbedarf besteht. (Simon Moser, 30.6.2016)