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Die Ankunftshalle des Auslandsterminals am Tag danach: Hier soll Dienstagabend der Angriff von drei oder mehr Attentätern am Flughafen Atatürk in Istanbul begonnen haben. Die türkische Regierung sieht die Handschrift der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). 41 Menschen starben, 239 wurden verletzt.

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Ein Polizist vor dem Flughafen am Tag nach dem Anschlag.

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Graphik: Standard

Istanbul/Athen – Die Morgenmaschine aus Wien darf fliegen, und sie setzt gar noch vor der Zeit auf der Landepiste des Atatürk-Flughafens in Istanbul am Mittwoch auf. Zwölf Stunden ist da der schwerste Terroranschlag in der türkischen Wirtschaftsmetropole in diesem schwarzen Jahr schon alt. Reinigungspersonal spritzt draußen vor der Ankunftshalle die Glasscheiben ab. Einige der Deckenleuchten über dem Halleneingang werden bereits ausgewechselt. Die Wucht der Explosionen am Dienstagabend hat die Verkleidung weggefegt. Drinnen in der Halle hängt hinter Stellwänden eine rote türkische Fahne. Dort hatten die Attentäter versucht, sich den Weg durch die Sicherheitsschleusen freizuschießen. Einer kam durch.

Der türkische Regierungschef reist noch am Abend aus Ankara an und tritt im Atatürk-Flughafen vor die Kameras, flankiert von Ministern. Binali Yildirim liest von einem Zettel ab, was man ihm aufgeschrieben hat. Der Premier macht Daesh – die Terrormiliz Islamischer Staat – für den Angriff verantwortlich. Danach lässt die türkische Regierung eine Nachrichtensperre verhängen. Twitter, Facebook und Youtube sind für die Türken vom frühen Mittwochmorgen an nur noch schwer zugänglich. Der Staat ermittelt, die Gesellschaft soll schweigen.

Von Polizeikugel getroffen

Augenzeugen melden sich trotzdem zu Wort. Sie sprechen mit ausländischen Nachrichtenagenturen, erzählen von Panik, Chaos und den bangen Minuten in den Hallen des Terminals für internationale Flüge, versteckt hinter Schaltern oder am Boden kauernd. Einer der Attentäter feuerte in der Halle um sich, bis er von der Kugel eines Polizisten getroffen zu Boden geht und dann den Sprengsatz in seiner Weste zündet.

Es ist der letzte Akt dieses Terrorangriffs. 41 Menschen töten die Angreifer der jüngsten offiziellen Bilanz zufolge, 239 werden verletzt. Doch wie genau der Anschlag am drittgrößten Flughafen der Welt ablief, ob weitere Terroristen beteiligt waren, die fliehen konnten, ist am Tag danach noch immer nicht klar.

Waffen unter Mänteln

Kurz vor zehn Uhr abends am Dienstag sollen die drei Angreifer mit einem Taxi vom Taksim-Platz im Zentrum Istanbuls gekommen sein, so berichteten türkische Medien. Das Fastenbrechen hat schon begonnen, die Nacht ist warm. Drei Männer in Mänteln erregen deshalb das Aufsehen der Polizei im Eingangsbereich des Terminals.

Unter den Mänteln sind die Sprengwesten und automatische Gewehre verborgen. Einer der Männer soll zu den Wartenden an der Sicherheitskontrolle geschrien haben: Hier wird eine Bombe explodieren. Die Menschen stürmen wieder hinaus vor die Halle, es wird bereits geschossen. Manche türkischen Zeitungen wollen von wenigstens sieben Terroristen wissen. Die meisten sind sich einig, dass die ersten Schüsse aus dem Parkhaus gegenüber dem Terminal kamen, gefolgt von einer Explosion. Alle drei Attentäter sprengen sich in die Luft.

Ein Kamerabild

Am Vormittag meldet sich die Staatsanwaltschaft zu Wort. Die Autopsie der Attentäter sei abgeschlossen, heißt es, doch die Körper seien so zerfetzt, dass sie noch keine Rückschlüsse auf die Identität zuließen. Eine Sicherheitskamera hat aber ein Bild von einem der Attentäter. Unter den Opfern sind Polizisten, Taxifahrer, auch wenigstens zehn ausländische Fluggäste, aus dem Iran und der Ukraine.

Der Angriff auf den Atatürk-Flughafen, ein Drehkreuz des Flugverkehrs von Europa nach Asien, Nahost und Afrika, führt über Stunden zu großen Beeinträchtigungen. Turkish Airlines streicht allein 340 Flüge, darunter viele Inlandsverbindungen. Am Morgen stabilisiert sich die Verkehrslage bereits.

Nach dem vierten Terroranschlag in Istanbul seit Jänner – die ersten zwei gingen auf das Konto des IS, der dritte wurde von einer Splittergruppe der kurdischen PKK verübt – ruft Tayyip Erdogan die westlichen Länder zu einem entschiedeneren Handeln gegen den Terror auf. Der türkische Staatschef hat die Kurden im Blick, er führt ein versöhnliches Telefongespräch mit Wladimir Putin und später mit Barack Obama. Doch viele Türken geben der Regierung Schuld an der Terrorwelle. "Ihr habt uns Syrien hergebracht", hört Erdogans Premier bei einem Besuch bei Verletzten im Spital von einem zornigen Türken. (Markus Bernath, 30.6.2016)