Die öffentliche Session des Verfassungsgerichtshofs zur Anfechtung der Bundespräsidentenwahl durch die FPÖ bringt immer wieder erstaunliche Erkenntnisse. Da ist zum einen FPÖ-Anwalt Dieter Böhmdorfer, Ex-Justizminister, der den grünen "Kontrahenten" Alexander Van der Bellen genauso als Opfer sieht wie den eigenen Mandanten Norbert Hofer. Beide müssten unter den Schlampereien der Wahlauszählung leiden.

Das ist ein interessanter Aspekt der Causa: Die FPÖ gibt sich als Hüterin jenes Rechtsstaats, den sie sonst gern bis zum Gehtnichtmehr ausreizt. Kollateralschäden werden offenbar in Kauf genommen: Blaue Wahlhelfer haben nämlich bei den "Schlampereien" genauso mitgemacht.

Spannend ist auch, dass der Vertreter der Bundeswahlbehörde, Robert Stein, am Mittwoch erneut jegliche Verantwortung des Innenministeriums weit von sich wies. Das Gesetz sei korrekt vollziehbar, das "fehlende Unrechtsbewusstsein" einiger habe ihn erstaunt. Damit putzt sich der oberste Behördenleiter ganz schön nach unten ab.

Was bei der Anhörung der einzelnen "Problembezirke" nämlich klar herauskam: Alle fühlten sich unter Zeitdruck gesetzt. Schnelle, ZiB 1-kompatible Ergebnisse wurden erwartet. Bedenken gegen die Hudelei wurden von den vorgesetzten Behörden vom Tisch gewischt.

Von alldem will man in Wien nichts gewusst haben. Das sieht nicht gut aus – und ist nicht sehr glaubwürdig. (Petra Stuiber, 29.6.2016)