45 Jahre alt, aber trotzdem kaum abzulösen: die E-Mail.

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Veraltet, verhasst – und doch unverzichtbar. Egal ob in der Arbeit oder für Privates – praktisch jeder Internetnutzer verfügt auch über eine oder mehrere E-Mail-Adressen für digitale Post. Selbst behördliche Post wird zunehmend elektronisch zugestellt, ebenso wie die Ausstellung von Rechnungen auf diesem Wege sich für den Onlinehandel etabliert hat.

Die Radicati Group schätzt in ihrer jüngsten Prognose (PDF), dass es derzeit weltweit 2,6 Milliarden E-Mail-Nutzer und 4,4 Milliarden Online-Postfächer gibt. Rund 206 Milliarden Nachrichten werden tagtäglich versandt – Tendenz steigend. Kein Wunder auch, dass die NSA und andere Geheimdienste die Überwachung dieses Kommunikationswegs forcieren.

Gescheiterte Herausforderer

So manche "E-Mail-Killer" sind in den vergangenen Jahren angetreten, um die 45 Jahre alte Technologie abzulösen. Trotz mancher kurzfristigen Hypes hat es bis dato aber keiner geschafft. Und, so schreibt "Techcrunch", es sieht auch nicht so aus, als würde dieser Fall jemals eintreten.

Der Service Slack etwa brüstet sich damit, das Mailaufkommen in Unternehmen deutlich zu reduzieren. Tatsächlich scheint damit effizienteres Kommunikationsmanagement möglich zu sein, allerdings nur so lange, wie eine Firma klein und übersichtlich ist. Wächst ein Unternehmen, versagt das auf dem Instant-Messaging-Prinzip beruhende System zunehmend.

Viele der E-Mail-Konkurrenten nutzen dabei selbst E-Mails. Salesforce operiert bei seinem Kommunikationssystem mit Outlook-Plugins. Und Slack informiert Nutzer per Mail über Direktnachrichten und Erwähnungen. Derlei Lösungen können auch nur interne Kommunikation verändern, externe Dienste – von sozialen Medien bis zu Cloudspeicheranbietern – setzen bei essenziellen Features wie Passwortrücksetzung ebenfalls auf übliche elektronische Post.

Vielseitig und evolutionsfähig

Die Stärke der Mails liegt auch darin, dass sich diese an sich simple Kommunikationsform stetig weiterentwickelt hat. Kluge Filtersysteme haben das einst gravierende Spamproblem marginalisiert. Automatische Filter und mannigfaltige Sortiermöglichkeiten bringen ohne viel Aufwand Ordnung ins Nachrichtenchaos.

Darüber hinaus, so das Argument von "Techcrunch", werden E-Mails zunehmend vielseitig eingesetzt. Google generiert etwa bei Flug- und Hotelbuchungsbestätigungen automatisch Kalendereinträge. Nutzer schicken sich selbst E-Mails mit Dateianhängen, um unkompliziert von überall schnell darauf zugreifen zu können, ohne sich gleich bei einem Cloudspeicher registrieren oder einen USB-Stick mitführen zu müssen. Ausgereifte E-Mail-Clients gibt es darüber hinaus für praktisch jede Plattform.

Geschäftspraxis und Gesetzgebung sichern ebenfalls die Langlebigkeit der elektronischen Briefe. Viele Unternehmen legen für neue Mitarbeiter sofort eine neue Mail-Adresse an. Und in den USA müssen Firmen bestimmter Branchen die Postfächer ehemaliger Angestellter mitunter mehrere Jahre lang in Betrieb halten, da ihr Inhalt im Falle einer Strafverfolgung zur Beweissicherung dienen könnte.

Offenheit als größte Stärke

Der möglicherweise größte Vorteil der E-Mail ist aber ihre Offenheit. Die zugrunde liegenden Technologien stehen allen zur Verfügung, eine Monopolisierung ist nicht möglich. Und zur Nutzung ist nicht mehr erforderlich als eine Internetverbindung. Würde etwa Slack seine Pforten schließen, wäre ungewiss, was mit den dort gespeicherten Informationen passiert und wie Unternehmen, die den Dienst nutzen, ihre Kommunikation umstellen und diese alten Daten integrieren.

Ein Problem, mit dem das bewährte E-Mail-System nicht zu kämpfen hat. Hier gibt es genügend Anbieter, die alle auf derselben Technologie aufbauen und Kontinuität garantieren. E-Mails bleiben das stabile Rückgrat für Kommunikation und Kollaboration – und sind damit faktisch nicht auszurotten. (gpi, 29.6.2016)