Der Chef der Fluglinie Virgin Airlines, Richard Branson, sieht durch das Exit-Votum seiner Landsleute schwierige Zeiten auf Großbritannien zukommen.

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"Es ist ein Schlag ins Gesicht der Europäer, aber auch ein klarer Schlag gegen den europäischen Flugverkehr", sagt Mario Rehulka. Der Präsident des österreichischen Luftfahrtverbands und frühere AUA-Chef sieht seine Branche durch einen EU-Ausstieg der Briten deutlich geschwächt.

Sie stehe im harten Wettbewerb mit Airlines aus dem Mittleren Osten. Breche ein großer Markt wie Großbritannien weg, sei das auch ein Skandal für den europäischen Luftverkehr. Rehulka bezweifelt, dass sich bei Flugfrequenzen und -rechten viel ändert. Denn Großbritannien werde sich wohl nach dem Vorbild der Schweiz um liberale Regelungen bemühen, ist er überzeugt. Finanziell sehe es freilich anders aus: Aufgrund neuer Gebühren für Landerechte könnten die Flugpreise für Passagiere künftig steigen. Rehulka schließt auch nicht aus, dass London seine Position als stärkster Flughafen Europas an Paris verliert. Als drittgrößtes Drehkreuz fungiert derzeit Istanbul, gefolgt von Frankfurt.

Weniger Geld für Reisen

Das britische Votum gegen die EU wirbelt Europas Luftverkehr in jedem Fall kräftig durcheinander. Zum einen könnte das schwache Pfund den Briten die Lust am Reisen nehmen. Mit rund 220 Millionen Passagieren jährlich sind sie Europas Vielflieger. Spanien, wo viele Engländer Häuser besitzen, ist ihre häufigste Destination.

Zum anderen droht britischen Airlines mit dem Brexit der Rauswurf aus dem gemeinsamen Luftraum. Billiganbieter wie Easyjet müssten sich möglicherweise auf Flüge von und nach Großbritannien beschränken, anstatt wie bisher Städte quer durch Europa zu verbinden. Dazu kommen höhere Spritpreise und ungünstige Wechselkurse, die auch der irischen Ryanair hart zusetzen werden. Letztere hat in London ihren zentralen Umschlagplatz und überlegt nun, Teile ihrer Flotte vom Königreich auf den Kontinent zu verlegen.

Dass sich Flugtickets im Zuge eines EU-Ausstiegs der Briten verteuern, glaubt man bei den Austrian Airlines entgegen der Ansicht vieler Experten dennoch nicht. Langfristig würden sich die Effekte die Waage halten, sagt Konzernsprecher Peter Thier. Die AUA selbst rechne mit einem Dämpfer bei Geschäftsreisen nach Großbritannien – zugleich beschleunige sich aber der touristische Verkehr. Denn aufgrund des niedrigeren Pfunds erhalten Urlauber auf der Insel nun mehr für ihr Geld.

Aktuell wenig Folgen

Wie sich der Brexit an anderen Fronten auf die Konsumenten auswirkt, darüber kann vorläufig nur spekuliert werden. Noch sind keine Ausstiegsmechanismen im Gange, wie tief Wirtschaftsbeziehungen bestehen bleiben, ist völlig offen. "Wir sehen aktuell keine Folgen für den Einzelhandel", sagt etwa René Tritscher, Geschäftsführer der Sparte Handel in der Wirtschaftskammer, "und wir erwarten auch nicht, dass von heute auf morgen die Hälfte der EU-Richtlinien nicht mehr gilt."

Potenzieller Sprengstoff ist dennoch vorhanden: etwa beim Onlinehandel. So könnten Konsumentenschutzrechte, etwa 14-tägige Rücktrittsrechte, nach dem Brexit für Bestellungen aus Großbritannien nicht mehr gelten, gibt Bettina Schrittwieser von der Arbeiterkammer Steiermark zu bedenken. Spannend werde es zudem bei EU-Richtlinien, die demnächst in Kraft treten, wie etwa beim Verbot von Roamingkosten im Euroraum ab 2017. Ob die Briten beim günstigeren Telefonieren mitziehen, sei fraglich.

Viele offene Fragen

Die Liste drohender Baustellen reicht von der Niederlassungsfreiheit und Visumspflicht über Handelshemmnisse wie Zoll, Ein- und Ausfuhrgrenzen und Geldverkehr bis hin zu Quarantänebestimmungen für Haustiere und Schüleraustausch im Zuge von Sprachreisen, resümiert Schrittwieser. Und selbst wenn die Folgen des Brexit für Konsumenten finanziell gesehen überschaubar bleiben – "umständlicher wird es auf jeden Fall". (Verena Kainrath, 29.6.2016)