In Mathematik gab es heuer bei den schriftlichen Maturaklausuren doppelt so viele Fünfer wie 2015. Junge VP und Junge liberale Neos möchten gerne wissen, wie es in den einzelnen Schulen aussah.

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Wien – Böse Stimmen würden sagen: Die mündlichen Kompensationsprüfungen waren auch heuer wieder für viele Maturantinnen und Maturanten eine Art Notenwaschmaschine, die nach einer verpatzten schriftlichen Klausur den Fünfer doch noch aus dem Maturazeugnis entfernte. So wurden etwa in Mathematik aus österreichweit 21,8 Prozent Nicht genügend bei der schriftlichen Reifeprüfung letztlich "kompensierte" 6,9 Prozent Fünfer.

Schön für die betroffenen Schülerinnen und Schüler, aber ein riesiges Problem für eine Zentralmatura, für die die Politik "Vergleichbarkeit und Objektivität" als Ziele genannt habe, sagt der Klagenfurter Mathematikdidaktiker Werner Peschek im STANDARD-Gespräch: "Die mündliche Kompensationsprüfung ist kontraproduktiv, sie macht zentrale Intentionen der Zentralmatura zunichte."

Verblüffende Leistungssteigerungen

Die schriftliche Klausur solle ja die Grundkompetenzen der Schüler testen. Es fallen zum Beispiel 100 durch, in 14 Tagen werden sie nochmals geprüft – diesmal mündlich – "und plötzlich haben 66 von ihnen die Grundkompetenzen doch?", wundert sich Peschek: "Das ist völlig indiskutabel, denn diese zwei Tests können nicht dasselbe messen. Mindestens einer ist also nicht valide, misst eben nicht die geforderten Grundkompetenzen."

Für Peschek, einen der "Väter" der neuen Reifeprüfung – sein Institut an der Uni Klagenfurt entwickelte 2008 ein Konzept für die Zentralmatura, 2011 übernahm das Bildungsforschungsinstitut Bifie das Projekt –, ist die Schlussfolgerung klar: "Eine zweite Chance für die Schüler verstehe ich, aber es gibt überhaupt keinen Grund, das mündlich zu machen, zumal man weiß, dass nichts subjektiver ist als mündliche Prüfungen."

Die Kompensationsprüfungen – auch diese Fragen werden zentral vom Bifie vorgegeben – müssten im Interesse der Vergleichbarkeit, so es dieses wirklich gebe, auch schriftlich sein, fordert Peschek: "Vergleichbarkeit ist nur gegeben, wenn bei beiden Prüfungen in der gleichen Form geprüft wird. Mündliche Kompensationsprüfungen für eine schriftliche Zentralmatura sind ein Konstruktionsfehler."

Keine Objektivität

Von der gewünschten Objektivität gar nicht zu reden. Da würde Peschek einen Vorstoß, der auch von Schülerseite kam, unterstützen: nämlich externe Korrekturen, nicht Korrekturen durch die eigenen Lehrerinnen und Lehrer. "Das wäre sinnvoll und ist in anderen Ländern mit Zentralmatura durchaus üblich."

Auch die Lehrervertreter der AHS und jene der BHS ziehen die Kompensationsprüfungen in Zweifel. Wenn etwa in Kärnten in Mathematik 84 Prozent der schriftlich negativen AHS-Schüler diese mündliche Prüfung schaffen, in Salzburg aber weniger als die Hälfte, "kann etwas an dem Konzept nicht passen", sagte AHS-Lehrergewerkschaftschef Eckehard Quin zur APA. BHS-Kollege Roland Gangl vermutet, dass bei der schriftlichen Prüfung "irgendetwas nicht passt".

An den Prüfungen liegt es nicht

Anders Didaktiker Peschek: "An den Prüfungen liegt es nicht. Was die Schwierigkeit betrifft, war sie im Großen und Ganzen in Ordnung, und sie war auch nicht höher als 2015. So etwas muss gekonnt werden, wenn Mathematikunterricht einen Sinn haben soll."

Eine mögliche Erklärung dafür, dass es heuer in Mathematik schriftlich doppelt so viele Fünfer wie 2015 gab, könnte sein, "dass viele Lehrer und Schüler die Zentralmatura nach den überaus guten Ergebnissen im Vorjahr – da war ja mit der Kompensation alles planiert – nicht so hundertprozentig ernst genommen haben". Peschek würde jedenfalls bei Unterricht und Didaktik ansetzen, also der "Kunst des Lehrens" oder der theoretischen und praktischen Mathe-Vermittlung: "Da ist sicher einige Luft nach oben." (Lisa Nimmervoll, 29.6.2016)