Epigenetische Mechanismen wie Methylierungen (hier die beiden leuchtenden Punkte) spielen eine bedeutende Rolle bei der Genregulierung und bei Krankheiten.

Illu: Christoph Bock / CeMM

Wien – Epigenetik ist seit einigen Jahren eines der heißesten Forschungsfelder in der Molekularbiologie. Unter dem Begriff werden alle chemischen Veränderungen der DNA und daran gebundener Proteine zusammengefasst, die Einfluss auf die Genaktivität haben, ohne die Reihenfolge der genetischen Buchstaben zu verändern.

Solche chemischen Veränderungen wie die sogenannten Methylierungen bestimmen, auf welche Weise die zwei Meter langen DNA-Fäden in den mikroskopisch kleinen Zellkern gepackt werden – je nach Zugänglichkeit können dabei Gene an- oder abgeschaltet werden. Diese Verfügbarkeit der DNA-Abschnitte kann bei der Zellteilung auf die Tochterzellen vererbt werden.

Epigenetische Störungen

Bisher war Epigenetik fast ausschließlich ein Thema der Forschung. Doch epigenetische Mechanismen spielen auch bei Krankheiten eine wichtige Rolle. Bei Tumoren beispielsweise sind epigenetische Mechanismen massiv gestört, wodurch Gene zur falschen Zeit in den falschen Zellen aktiv oder abgeschaltet werden.

Ein internationales Wissenschafterkonsortium, bei dem auch Christoph Bock, Gruppenleiter am Centrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien, leitend beteiligt ist, hat nun gleich in mehreren Studien gezeigt, dass Tests auf diese epigenetischen Veränderungen möglich sind und medizinisch verwendet werden können.

Vergleichbarkeit der Tests

Konkret untersuchten die Forscher, wie vergleichbar die Ergebnisse von Laboruntersuchungen auf die Methylierung von Erbgut sind, die in den verschiedenen Labors verwendet werden. Der Grund dafür ist naheliegend: DNA-Methylierungsmuster sind bei vielen Krankheiten verändert und korrelieren mit klinisch relevanten Informationen wie Krankheitsvarianten, der Prognose und der Wirksamkeit von Medikamenten.

Für die erste Studie im Fachblatt Nature Biotechnology schickten die beteiligten Forscher 32 Referenzproben an 17 Labors in sieben Ländern. Dann fanden die Untersuchungen mit den verschiedenen, sonst auch verwendeten Testmethoden statt. Die Resultate wurden dann verglichen. Die Vergleiche erfolgten für mehr als zwei Dutzend vorgegebene Genomregionen der versendeten DNA – und waren, da sie zu gleichen Ergebnissen kamen, erfolgreich.

In einer zweiten Studie in Nature Communications demonstrieren CeMM-Forscher in Kollaboration mit Klinikern der Universität Southampton und dem Royal Bournemouth Hospital die Anwendungsmöglichkeiten einer bestimmten epigenetischen Analysemethode, bei der die Zugänglichkeit der DNA innerhalb der Chromosomen bestimmt wird. Bei Patienten mit chronisch lymphatischer Leukämie, der häufigsten Blutkrebsart in der westlichen Welt, konnten die Forscher damit den genauen Erkrankungstyp zuverlässig bestimmen sowie individuelle Verlaufs- und Behandlungsprognosen erstellen.

Personalisierte Präzision

Für Christoph Bock ist offensichtlich, dass künftig epigenetische Tests eine Schlüsselrolle spielen können, "um die personalisierte Präzisionsmedizin im klinischen Alltag umzusetzen. Denn die Epigenetik gibt Auskunft über die individuelle Geschichte jeder einzelnen Zelle und erlaubt Vorhersagen darüber, wie sie auf Medikamente reagiert. Das kann für eine personalisierte Therapie von großem Nutzen sein."

Die Bedeutung der Epigenetik für die Medizin betont auch Giulio Superti-Furga, wissenschaftlicher Direktor des CeMM. "Die Arbeit von Christoph Bock und seinen Kollegen zeigt, dass die Epigenetik eine Brücke zwischen Genomdaten und Krankheiten schlagen kann." (red, 29.6.2016)