Nicht immer ist die Sicht so gut wie hier. Ist die Umgebung nicht so gut erkennbar, nutzt der Elefantenrüsselfisch (Gnathonemus petersii) neben seinen Augen auch einen elektrischen Sinn. Sein Name rührt von seinem rüsselartigen Fortsatz am Unterkiefer her.

Foto: Timo Moritz

Bonn – Der Elefantenrüsselfisch (Gnathonemus petersii) ist ein kleiner Jäger, der in den Fließgewässern Westafrikas in der Dämmerung auf Beutefang geht, hauptsächlich Insektenlarven. Bei diesen eher mäßigen Sichtverhältnissen verlässt er sich nicht allein auf seine Augen: Ein Organ in seinem Schwanz, das schwache elektrische Impulse aussendet, hilft ihm dabei, sich im trüben Wasser ein Bild von seiner Umgebung zu machen. In der Haut des Fisches befinden sich zahlreiche Sensoren, die das durch Gegenstände im Gewässer veränderte elektrische Feld wahrnehmen. Das Prinzip ähnelt der aktiven Echoortung von Fledermäusen. Manchmal orientiert sich der Fisch mit dem Sehsinn und seinem elektrischen Organ zugleich, was eine hochkomplexe Verarbeitung der Sinneseindrücke nötig macht. Erstaunt haben nun internationale Biologen festgestellt, zu welchen Leistungen das winzige Gehirn des Elefantenrüsselfisches dabei fähig ist.

Die Wissenschafter um Gerhard von der Emde und Sarah Schumacher von der der Universität Bonn haben konkret untersucht, wie der ungewöhnliche Fisch die Informationen aus den verschiedenen Sinneskanälen verarbeitet. "Die Tiere nutzen normalerweise beide Sinne. Falls erforderlich, zum Beispiel weil einer der beiden Sinne keine Informationen liefert oder sich die Informationen der beiden Sinne stark unterscheiden, können die Fische aber zwischen ihrem Sehsinn und dem elektrischen Sinn hin- und herschalten", fasst Schuhmacher das im Fachblatt "PNAS" präsentierte Ergebnis zusammen. Wie sich die Fische mit diesen beiden Sinnen das jeweils beste Bild von ihrer Umgebung verschaffen, überraschte die Wissenschafter: Wenn die Tiere ein im Aquarium befindliches Objekt zum Beispiel mit dem Sehsinn kennenlernten, konnten sie es auch mit dem elektrischen Sinn wiedererkennen, obwohl sie es nie zuvor elektrisch wahrgenommen hatten.

Zuverlässige Informationen

Außerdem bewiesen die Fische eine Fähigkeit, die man ihnen bisher nicht zugetraut hatte: Ihr Gehirn gab den Informationen mehr Gewicht, die es für zuverlässiger hielt. Wenn im Nahbereich bis zwei Zentimeter die beiden Sinne unterschiedliche Informationen lieferten, vertrauten die Fische nur den elektrischen Informationen und waren dann für die visuellen Reize "blind". Bei weiter entfernten Objekten bauten die Tiere hingegen vor allem auf ihre Augen. Sie erfassten die Umgebung am besten, wenn sie ihren visuellen und ihren elektrischen Sinn kombiniert einsetzten. "Ein Transfer zwischen verschiedenen Sinnen war bisher nur von einigen hochentwickelten Säugetierarten wie Affen, Delfinen, Ratten und Menschen bekannt", sagt von der Emde.

Ein Beispiel: Menschen bewegen sich in einer dunklen, unbekannten Wohnung tastend vorwärts, um nicht zu stolpern. Geht dann das Licht an, werden die ertasteten Hindernisse ohne Probleme auch mit den Augen wiedererkannt. Säugetiere verarbeiten solche Informationen mit ihrer Hirnrinde. Der Elefantenrüsselfisch verfügt jedoch nur über ein relativ kleines Gehirn und überhaupt keine Hirnrinde – und schaltet trotzdem zwischen den Sinnen hin und her.

Raffinierte Experimentieranordnung

Die Wissenschafter hatten sich eine sehr ausgeklügelte Untersuchungsanordnung ausgedacht: Der Elefantenrüsselfisch befand sich in einem Aquarium. Davon abgetrennt waren zwei verschiedene Kammern, zwischen denen das Tier wählen konnte. Hinter einer Öffnung zu den Kammern befanden sich jeweils verschiedenförmige Objekte: eine Kugel oder ein Quader. Der Fisch lernte, eines dieser Objekte anzusteuern, indem er mit einigen Insektenlarven belohnt wurde. Daraufhin suchte er wieder nach diesem Objekt, um erneut eine Belohnung zu erhalten.

Wann setzt der Fisch einen bestimmten Sinn ein? Um diese Frage zu beantworten, wiederholten die Forscher das Experiment in absoluter Dunkelheit. Jetzt konnte das Tier nur auf seinen elektrischen Sinn vertrauen. Wie Aufnahmen mit der Infrarotkamera zeigten, gelang ihm die Objekterkennung nur auf nahe Distanzen. Bei Licht war der Fisch dagegen am erfolgreichsten, weil er Augen und elektrischen Sinn für die unterschiedlichen Entfernungen einsetzen konnte. Um herauszubekommen, wann der Fisch allein seine Augen nutzt, machten die Forscher die Objekte für den elektrischen Sinn unsichtbar. Die Kugel und der Quader, die gefunden werden sollten, besaßen nun die gleichen elektrischen Eigenschaften wie das Wasser.

Es waren viele Wiederholungen der einzelnen Experimente notwendig, um mit statistischen Auswertungen auf die Sinnesverarbeitung des Elefantenrüsselfischs schließen zu können. Insgesamt arbeiteten die Wissenschaftler mit zehn Tieren, die quasi im Schichtbetrieb eingesetzt wurden. "Dabei zeigte sich bei den verschiedenen Individuen ein fast identisches Verhalten", sagt von der Emde. Deshalb sind sich die Wissenschaftler sicher, dass diese enorme Sinnesleistung nicht nur von einem besonders versierten Exemplar, sondern von allen Elefantenrüsselfischen erbracht werden. (red, 28.6.2016)