Die Visualisierung des Passnetzwerks im Achtelfinale Italien gegen Spanien liefert Indizien für die mit gnadenlosem Charme zelebrierte Souveränität der Azzurri. Sowohl vom Spielverlauf als auch von der Performance her wies der Triumph über Spanien starke Parallelen zu Italiens Auftaktsieg gegen Belgien auf. Wie schon die roten Teufel fiel auch die rote Furie der Taktik blitzschnell sich bildender und das Spiel nach vorne treibender dezentraler Netzwerke zum Opfer.
Die quasi blind eingespielte Dreierkette Barzagli-Bonucci-Chiellini verzichtete weitgehend auf Quergeschiebe und gab dem Spiel nadelstichartige vertikale Impulse, die sich im elastisch agierenden Mittelfeld an den Flanken ebenso wie im Zentrum fortsetzten. Links wie rechts bildeten jeweils unzertrennliche Flügelpärchen (Parolo-Florenzi bzw. Di Sciglio-Giaccherini) die Basis für ein Höchstmaß an Flexibilität im Umschalten. De Rossi verlieh dem Spiel als hartnäckiger Lückendetektor Gefahr verheißende Tiefe aus dem Zentrum. Im Sturm gab Pelle den furchtlosen Boden-Luft-Attraktor und fand im wieselig wuselnden Eder einen kongenialen Kompagnon für leichtfüßige Attacken auf die zusehends hüftsteifer wirkende spanische Abwehr.
Die spanische Dominanz zerschellte gegen ausgeschlafene Italiener gleichsam an den Gestaden ihrer eigenen Überspieltheit. Während Fabregas noch einigermaßen aufgekratzt das Spiel anzutreiben versuchte, verkümmerten Iniestas Impulse phasenweise zu alabesker Schlaffheit. Der Modus der kollektiven Zirkulation lief sich ein ums andere Mal im Zentrum fest, der Ballbesitz erstarrte zum Synonym für Chancenlosigkeit. Potenziell erfrischende Neulinge wie Nolito wurden weitgehend ignoriert, während sich das schleppend vorgetragene Tiqui-taca mehr und mehr in den blinden Flecken seiner Idiosynkrasie verfing. (Helmut Neundlinger, 28.6.2019)