Una Abrahams Engel wurde verkauft und als Marktlücke neu eröffnet.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Oktopus, zwei dicke, knusprig angegrillte Arme als Vorspeisenportion, bietet den Zähnen die richtige Art von Widerstand.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Wo bis vor ein paar Monaten der Engel von Una Abraham und Carsten Philippi die Leopoldstädter Bobogeoisie mit einem Sammelsurium französisch, italienisch, spanisch und, ganz wichtig, südburgenländisch inspirierter Köstlichkeiten verwöhnt hatte, klafft seit zwei Wochen eine "Marktlücke".

Der Name ist schon einmal gut, auch wenn in Steinwurfweite des Bobo-Schlachtfelds Karmelitermarkt, zwischen den Kommandozentralen Skopik, Pizza Mari' und Schöne Perle, zusätzlicher Bedarf an austromediterraner Küche bislang nicht festzumachen war.

Toller Fisch

Genau darauf aber will der 33-jährige Sebastian Neuschler sich mit seiner Marktlücke konzentrieren. Und so, wie er kocht, kann man das ganz gut nachempfinden: Diese Art von Essen will man sich gern gefallen lassen – wurscht wo. Wobei sich die Diagnose nur auf den mediterranen Teil der Speisekarte bezieht: Krautfleckerl und Marillenpalatschinken, die einzigen Austroexponenten auf der Karte, wurden nicht getestet. Dafür kann Neuschler, der zuletzt in der Serviette im Servitenviertel gekocht hat, mit Fisch umgehen, wie man das in Wien auch in expliziten Fischlokalen nur selten erleben darf.

Carpaccio vom Wolfsbarsch zum Beispiel: ein paar Scheiben vom taufrischen, wächsern schimmernden Fisch, die auf Artischockencreme gebettet werden, obendrauf kommen luxuriöse Geschmacksverstärker in Form von frischgehobelten Bottarga-Spänen und Schnitzen eingesalzener Zitrone – die geschmorten Cocktailparadeiser erfüllen eher dekorative Aufgaben. Oder Fischsuppe, mit 12,50 Euro eine der teuersten Vorspeisen – derart vollgepackt mit Leckerbissen, wie sich die tiefe Schüssel präsentiert, wirkt das aber keinesfalls überbezahlt: dicke, saftige Happen vom Branzino neben gerade geöffneten, vor Saft strotzenden Venus- und Miesmuscheln, dazu winzige, kurz angebratene Tintenfische neben den Canocchie genannten Heuschreckenkrebsen aus der venezianischen Lagune. Viel besser kann man das nicht machen.

Salat für Arme

Auch Oktopus, zwei dicke, knusprig angegrillte Arme als Vorspeisenportion, bietet den Zähnen die richtige Art von Widerstand (wenig, aber doch), dazu gibt es duftigen Kräutersalat, eine leichte Schnittlauchsauce und vergleichsweise entbehrlichen Krustentierschaum, der auf der Karte noch dazu als "Krusti" für Ratlosigkeit sorgt.

Parmigiana di Melanzane, der süditalienische Klassiker aus mit Paradeissauce und Mozzarella geschichteten Melanzani, ist großartig, die Portion wirkt im Vergleich aber mehr wie eine Vor- denn eine Hauptspeise. Burger wird mit trocken gereiftem Fleisch gemacht, wie sich das mittlerweile gehört – ob die dazu servierte Trüffel-Mascarpone-Creme den tollen Fleischgeschmack mehr zudeckt als unterstreicht, darf jeder für sich entscheiden.

Dafür lässt die venezianische Kalbsleber mit cremiger Polenta keine Fragen offen: dicke, fleischige Schnitten Leber, wirklich großartiges, zwischen Säure und Süße oszillierendes Saftl, zart knackige Zwiebel – so lässt man sich die Innerei auch jenseits der 30 Grad gefallen.

Gute, fair kalkulierte Weine gibt es auch, an der Bar konzentriert man sich auf erfrischende Pre- und After-Dinner-Drinks, der Fokus auf Wermut-Cocktails wirkt in diesem Zusammenhang nicht so manieriert wie anderswo, sondern auf die Bedürfnisse des Restaurantgastes fokussiert. Dass der Service über weite Strecken noch recht fahrig agiert, wird sich hoffentlich bald geben. (Severin Corti, RONDO, 1.7.2016)