Trotz gegenteiliger Versprechungen wird Kohle nicht nur in Entwicklungsländern mehr als jemals zuvor zur Erzeugung von Strom eingesetzt, sondern auch im Herzen Europas: in Deutschland.

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Paris/Wien – Die Zustände in weiten Teilen der Welt stinken sprichwörtlich zum Himmel. Die Gefahr, an schlechter Luft zu erkranken und schließlich sogar daran zu sterben, war in manchen Regionen wohl noch nie so groß wie heute. Darauf hat am Montag die Internationale Energieagentur (IEA) hingewiesen. Sollte es nicht gelingen, die Luftverschmutzung zurückzudrängen, werde die Zahl darauf zurückzuführender Todesfälle bis 2040 wohl auf rund 7,4 Millionen pro Jahr steigen.

Derzeit sterben nach Angaben der in Paris ansässigen Agentur pro Jahr etwa 6,5 Millionen Menschen an den Folgen von verunreinigter Luft sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen. Es handle sich um die viertgrößte Bedrohung für die menschliche Gesundheit nach Bluthochdruck, Ernährungsrisiken und Rauchen.

Kerosin zum Kochen

Der Schadstoffausstoß werde den Prognosen zufolge bis zum Referenzjahr 2040 zwar zurückgehen; die derzeitigen Pläne reichten aber bei weitem nicht aus, die Qualität der Luft substanziell zu verbessern.

Die IEA, die in den 1970er-Jahren von 16 Industrienationen zum gemeinsamen Vorgehen gegen die Ölkrise gegründet wurde, sieht nicht zuletzt in einem falschen Energiemix eine der Hauptursachen für all die Gefahren, die in der Atemluft lauern. So seien etwa 2,7 Millionen Haushalte beim Kochen nach wie vor auf Holz und andere feste Brennstoffe angewiesen, namentlich in Afrika und Asien.

In vielen Ländern werde Kerosin für die Beleuchtung und auch zum Kochen verwendet – jährlich seien etwa 3,5 Millionen Todesfälle darauf zurückzuführen. Unvollständige Verbrennung bei der Energieerzeugung sei darüber hinaus eine der wichtigsten von Menschen verursachten Quellen von Feinstaub (85 Prozent) sowie von Schwefel- und Stickoxiden. So könne Feinstaub etwa zu Lungenkrebs, Schlaganfällen und Herzerkrankungen führen.

Fünf Milliarden Dollar mehr

Die gute Nachricht: Es gibt Möglichkeiten gegenzusteuern. Schon durch eine Erhöhung gezielter Energieinvestitionen um etwa sieben Prozent ließe sich die Luftqualität merkbar verbessern, meint die Pariser Organisation. Die sieben Prozent entsprechen knapp fünf Milliarden Dollar (4,3 Milliarden Euro) an Mehrinvestitionen pro Jahr.

"Das sind Peanuts. Damit könnte man mehr als drei Millionen Leben retten", sagte IEA-Chef Fatih Birol bei der Präsentation der Studie. Ohne verstärkte Maßnahmen zur Eindämmung der Emissionen im Energiesektor werde die Opferzahl unweigerlich steigen.

Die Todesfälle durch Luftverschmutzung im Freien würden ohne Gegenmaßnahmen bis 2040 von derzeit drei auf 4,5 Millionen in die Höhe schnellen, insbesondere in Asien. Gleichzeitig sei ein Rückgang bei den vorzeitigen Todesfällen durch Luftverschmutzung in geschlossenen Räumen von 3,5 auf etwa drei Millionen zu erwarten, auch wenn sie weiterhin eng mit Armut und dem eingeschränkten Zugang zu moderner Energienutzung in Zusammenhang stünden.

Saubere Luft als Menschenrecht

Saubere Luft sei ein grundlegendes Menschenrecht, das dem Großteil der Weltbevölkerung aber vorenthalten werde, sagte Birol. Die Regierungen müssten nun reagieren.

Als notwendige Maßnahmen nennt die IEA unter anderem die Verbesserung des Zugangs zu sauberen Kochmöglichkeiten in Entwicklungsländern, um die Haushaltsemissionen zu reduzieren. Zudem werden Emissionskontrollen gefordert und ein Brennstoffwechsel im Stromsektor, mehr Energieeffizienz und streng kontrollierte Abgasnormen für den Verkehr. (Günther Strobl, 28.6.2016)