Jahrzehnte nach seinem Tod ist und bleibt Albert Einstein der unbestrittene Popstar der Wissenschaft. So darf sein Name auch bei der Nobelpreisträgertagung im bayerischen Lindau am Bodensee nicht fehlen, die diese Woche zum 66. Mal stattfindet. Das gilt nicht nur für Vorträge mit Bezügen zur Allgemeinen Relativitätstheorie oder Einsteins großer Obsession – die Suche nach einer Theory of Everything; Sein Vermächtnis betrifft neben der Physik auch die Politik, wie Nobelpreisträger David Gross in seinem Vortrag feststellte.
Menschliche Dummheit...
Vier seiner Lieblingszitate stammen von Einstein, sagte Gross, darunter auch dessen berühmter Ausspruch: "Two things are infinite: the universe and human stupidity; and I’m not sure about the universe!" Diese Aussage ist besonders treffend, was den Ausgang des britischen Referendums für den Austritt aus der EU betrifft, sagte Gross. Gelächter und Beifall im Publikum.
Der Brexit war in Lindau nicht nur in Kaffeepausen Thema. Auch Hamish Johnston, Editor von physicsworld.com, kam nicht um eine Nebenbemerkung zum britischen Votum herum. Er nahm die Flüchtlingsdebatte zum Anlass, sich anzusehen, wie hoch der Anteil von Zuwanderern unter den Nobel-Laureaten ist. Seine Analyse ergab: Von 200 Physiknobelpreisträgern leben oder starben 51 in einem anderen Land als sie geboren wurden. Das macht einen Anteil von 25 Prozent Migranten unter den Physiknobelpreisträgern. Manche Länder, wie Österreich, haben durch Migration Nobelpreisträger verloren, Länder wie Großbritannien haben dagegen durch Flucht und Zuwanderung Laureaten gewonnen. Besonders bedauerte Johnston daher, dass viele Briten vor allem deswegen vergangene Woche für den Brexit gestimmt haben, um der Zuwanderung nach Großbritannien einen Riegel vorzuschieben.
... und das unendliche Universum
Ein anderes Einstein-Zitat, das ebenso als Motto für die meisten Vorträge der Nobelpreisträger gelten könnte, zog Gross als Leitfaden für seinen Vortrag heran: "Everything should be made as simple as possible, but not simpler." Kein leichtes Unterfangen gemessen daran, dass sich Gross aktuell mit keinen geringeren Fragen als der Vereinigung der Grundkräfte beschäftigt, worüber er auch in Lindau berichtete. Es geht dabei um den Übergang vom sogenannten Standardmodell der Teilchenphysik, das unsere bisherige Kenntnis über die Bauteile der Materie in einem Modell zusammenführt, zu einer Grand Unified Theory. Oder in anderen Worten: ein Übergang von der Beschreibung des Ist-Zustands des Universums zurück bis zum Beginn der Zeit.
Bei der diesjährigen Tagung, bei der 29 Nobelpreisträger und rund 400 Jungwissenschafter aus diversen Feldern vertreten sind, liegt der inhaltliche Schwerpunkt auf Quantentechnologie, Teilchenphysik und Kosmologie. DER STANDARD ist vor Ort und hält Sie weiterhin auf dem Laufenden. (Tanja Traxler, 28. 6. 2016)