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Was Christian Kern in der Sache von Vorgänger Werner Faymann unterscheidet, ist nach seiner Wahl zum neuen Vorsitzender der Sozialdemokraten am Samstag noch nicht ganz klar. In seiner mehr als eine Stunde dauernden Rede beim Bundesparteitag sprach er vieles an, was auch von Faymann stammen hätte können. Er ist gegen ein neoliberales Europa, will nicht mit Parteien zusammenarbeiten, die hetzen, möchte Vermögen stärker und Arbeitseinkommen weniger besteuern.

Es sind viele gut klingende Überschriften dabei, rhetorisch gut vorgetragen. Faymann haben viele diese Botschaften nicht mehr abgenommen. Bei Christian Kern ist das anders. Auf ihn werden derzeit alle sozialdemokratischen Hoffnungen projiziert. Manche Genossen fühlen sich bereits an Bruno Kreisky erinnert, den roten "Sonnenkönig". Das ist natürlich eine Riesenchance für den neuen Kanzler. Er kann Reformen durchbringen, die Faymann nicht durchgebracht hätte.

Kein Gott, kein Kaiser

Die Euphorie kann aber auch zur Bürde werden. Das ist Kern durchaus bewusst, wenn er die Internationale zitiert: "Es rettet uns kein höh'res Wesen, kein Gott, kein Kaiser." Die Mühen der Tagespolitik holen den SPÖ-Chef auch bereits ein. Eine Wertschöfpungsabgabe vulgo Maschinensteuer wird es mit der ÖVP nicht geben. Wenige Monate nach der Steuerreform wird der Koalitionspartner auch keine Diskussion über Vermögenssteuern führen. Das muss auch Christian Kern bewusst sein.

Wenn er diese Themen nun monatelang trommelt, kann in der öffentlichen Wahrnehmung schnell jenes Bild entstehen, das man eigentlich vermeiden wollte: Eines des Streites, eines von zwei Partnern, die eigentlich nicht miteinander können. Lässt er die sozialdemokratischen Themen wieder einschlafen, wird es aber mit dem Enthusiasmus der Genossen auch bald vorbei sein.

Ein schwieriger Spagat. Einer, der am Beginn einer Amtsperiode vielleicht noch leicht gelingen kann. Nach einigen Jahren sieht das Bild aber möglicherweise schon anders aus. Was man gerne vergisst: Werner Faymann bekam bei seiner ersten Wahl zum SPÖ-Vorsitzenden mehr als 98 Prozent. Damals, im Jahr 2008, haben ihm fast alle Genossen zugetraut, einen Neustart hinzulegen. (Günther Oswald, 25.6.2016)