Der neue Präsident der Universitätenkonferenz, Oliver Vitouch, spricht sich im Interview mit dem STANDARD für "seriöse Aufnahmeverfahren, unseren Kapazitäten gemäß" aus. Falls es keine generelle Systemumstellung geben sollte, nennt er die Erziehungswissenschaften als ein Fach, in dem Zugangsbeschränkungen nötig seien, weil es bundesweit Probleme gebe. Die aktuelle Budgetsituation für die Unis nennt Vitouch "eine nationale Schande". Es brauche zumindest einen Etappenpfad für eine Erhöhung auf zwei Prozent des BIPs. Kritik übt der Rektor der Universität Klagenfurt an der Hochschulpolitik der SPÖ. Diese halte an veralteten Konzepten der 70er Jahre fest.

STANDARD: Wie alle Ihre Vorgänger fordern auch Sie mehr Geld für die Universitäten. Was werden Sie anders machen, damit das tatsächlich auch fließt?

Vitouch: Eine wesentliche Frage ist, wie die Besserdotierung der Universitäten im Bundesfinanzrahmen abgebildet werden kann, derzeit ist das nicht der Fall. Es wurden vor allem die Sicherheitsressorts bedacht, was aktuell ein bisschen populistisch scheint. Wir wollen, dass zwei Prozent des BIPs in den tertiären Sektor fließen. Es sollte zumindest ein Etappenpfad zur Erreichung dieses allseits anerkannten Ziels ausgearbeitet werden, derzeit liegen wir bei 1,5 Prozent. Die österreichischen Universitäten haben das Zeug dazu, internationale Spitzenleistungen zu erbringen. In der Forschungsleistung, in der Qualifikation unserer Absolventen bis hin zum Wettlauf um Nobelpreise. Im Moment haben wir dazu aber nicht die Spielregeln. Solange man das nicht ändert, werden die Ergebnisse in den Rankings ernüchternd bleiben. Es ist eine nationale Schande, dass die Politik nicht dafür sorgt, dass wir über bessere Forschungs- und Lehrbedingungen verfügen.

Oliver Vitouch hält den freien Hochschulzugang für überholt. Es brauche neue Konzepte.
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STANDARD: Rektoren haben in der Vergangenheit mit der Schließung überlaufener Studiengänge gedroht. Ist das auch für Sie denkbar?

Vitouch: Wenn wir nicht bessere finanzielle Grundlagen und seriöse Zugangsregeln bekommen, dann wird man darüber nachdenken müssen, was die Universitäten in Eigenregie umsetzen können. Aber das ist nur die drittbeste Möglichkeit, relativ zu einer Veränderung des Systems. Wir wollen in der Lage sein, unseren Kapazitäten gemäß, seriöse Aufnahmeverfahren zu betreiben. Natürlich wären dann Begleitmaßnahmen wichtig, um die Durchlässigkeit zu verbessern. Bisher hat man so getan, als würde die unsichtbare Hand des freien Zugangs in der besten aller Welten alles wunderbar wie von selbst regeln. Wir wissen aber: Das ist nicht der Fall.

STANDARD: Sie gelten als SPÖ-nah ...

Vitouch: Irgendwann wünsche ich mir eine Definition des Satzes: Sie gelten als SPÖ-nah.

STANDARD: Sie haben etwa die SPÖ-Kandidatin für das Bürgermeisteramt in Klagenfurt unterstützt.

Vitouch: Das ist richtig. Es gab aber nur zwei Personen (neben der SPÖ-Kandidatin Maria-Luise Mathiaschitz den FPÖ-Kandidaten Christian Scheider, Anm.), die Chancen hatten in die Stichwahl zu kommen. Da schien mir das die bessere Alternative zu sein.

STANDARD: Jedenfalls haben Sie die SPÖ dazu aufgefordert, sich unipolitisch nicht länger auf alten Erfolgen auszuruhen. Muss die heilige Kuh freier Hochschulzugang geschlachtet werden?

Vitouch: Große Teile der SPÖ halten beim Hochschulzugang an einem Konzept fest, das in den 70er-Jahren sicherlich das richtige war. Mit der Veränderung der Bedingungen, nämlich der zunehmenden Zahl an Studierenden und der Vergrößerung des ganzen Sektors, sind das aber nicht mehr die richtigen Antworten. Im Bereich der Finanzierung habe ich eher den Eindruck, dass es die ÖVP ist, die bremst.

Vitoch: "Die Argumentation, dass es sich um kreativen Protest handeln würde oder dass das Logo der Identitären und das Fahnengeschwinge rein gar nichts mit der Vergangenheit zu tun hätte, ist Mumpitz."
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STANDARD: Wenn die Studienplatzfinanzierung nicht kommt, in welchen Fächern wären Sie für neue Aufnahmeverfahren?

Vitouch: An der Universität Wien gibt es in diversen Fächern, zuvorderst in den Sozialwissenschaften, Probleme. An der Boku sind die Probleme wiederum ganz anders gelagert. Und in manchen Fällen, etwa den Erziehungswissenschaften, haben wir bundesweit ein Problem.

STANDARD: Sie sind an Ihrer Universität bei einer Störaktion der Identitären angegriffen worden. Die Bewegung erinnert Sie an die Frühzeit der SA. Wie kann man diese rechtsextremen Strömungen aufhalten?

Vitouch: Man muss dem mit der nötigen Entschlossenheit entgegentreten, ohne in besondere Unruhe zu verfallen. Man darf diesen Störaktionen keine Bühne bieten. Was passiert ist, ist inakzeptabel. Auch wenn es als vermeintlich friedlicher Protest oder angeblich kreative Kunstaktion daherkommt. Das ist eine plumpe Verkappung dessen, was bezweckt wird.

STANDARD: Und das ist?

Vitouch: Es sind hochproblematische bis hin zu verfassungsfeindlichen Botschaften, die da transportiert werden. Diese Lehrver-anstaltung wurde mit Bedacht ausgewählt. Es waren dort nicht nur Studierende, sondern auch Flüchtlinge und deren Kinder. Der Zweck eines solchen Auftritts ist, zu signalisieren: Ihr seid hier nicht sicher. Die Argumentation, dass es sich um kreativen Protest handeln würde oder dass das Logo der Identitären und das Fahnengeschwinge rein gar nichts mit der Vergangenheit zu tun hätte, ist Mumpitz. Ich bin diesbezüglich ein großer Freund des Ententests: If it looks like a duck and walks like a duck and quacks like a duck, it is a duck. (Lisa Kogelnik, 25.6.2016)