Das "Spiel mit den Farben" soll den Flüchtlingskindern die Kommunikation erleichtern.

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Im Endausbau sollen 75 Personen als interkulturelle Teams an Österreichs Schulen unterwegs sein.

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Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) sieht in der Initiative einen Anfang.

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Wien – Sie spielen das "Spiel mit den Farben". Sechs Kinder und Jugendliche zwischen zehn und fünfzehn Jahren sitzen mit drei Erwachsenen im Sesselkreis, jeder hat ein Musikinstrument in der Hand. Auf dem Boden liegt Buntpapier in verschiedenen Farben. Ein Bursch schlägt mit einer Rassel rhythmisch auf sein Handgelenk. "Rosa?", fragt ein Mädchen. Er schüttelt den Kopf. "Blau?" – "Orange" – "Grün?" – "Ja!" Der Bursch grinst zufrieden.

In der Neuen Mittelschule Enkplatz in Simmering lernen die Flüchtlingskinder an diesem Donnerstag mit ihrem "mobilen interkulturellen Team". Im April hat das Ministerium diese Maßnahme für die Integration von Flüchtlingen fixiert. Seit Mai sind die Teams, bestehend aus jeweils einem Psychologen, einem Sozialarbeiter und einem Sozialpädagogen, im Einsatz. Im Endausbau sind 75 Vollzeitstellen in ganz Österreich geplant. Finanziert wird die Maßnahme aus dem zusätzlichen Geld für Integrationsmaßnahmen, das das Bildungsministerium für 2016 und 2017 bekommen hat.

Zugang durch Musik

Die Musikübung, bei der die Flüchtlingskinder ein Instrument spielen und ihre Mitschüler erraten sollen, welche Farbe sie dabei im Kopf haben, soll den Kindern und Jugendlichen helfen, "dort, wo ihre Sprache nicht funktioniert, miteinander in Kommunikation zu treten", erklärt Kathrin Knapp, die als Schulpsychologin Teil des interkulturellen Teams an der NMS Enkplatz ist. Sie sollen sich trotz ihrer fehlenden Deutschkenntnisse als Menschen erleben, die etwas können und auch in der Lage sind, etwas zu erreichen. So werde die Motivation angekurbelt und das Selbstbewusstsein gestärkt. "Durch die Musik bekommt man einen Zugang, auch zu Kindern, bei denen das sonst schwierig ist."

Direktorin Martina Vogel-Waldhütter sieht noch einen anderen Pluspunkt: "Es ist eine Abwechslung zum Buchstaben-Üben." Seit das interkulturelle Team ihre Schule einmal in der Woche für einen Vormittag besuche, seien die Jugendlichen entspannter. Der Schule selbst brächte das Team zudem eine Professionalisierung im Umgang mit Flüchtlingskindern.

Übersetzen helfen

Die interkulturellen Teams arbeiten nicht nur mit den Schülern, sondern auch mit Eltern, Lehrern und der Schulaufsicht. Sozialpädagoge Mehrdad Ghaffari spricht selbst Farsi und hilft etwa dabei, zwischen Lehrern, Eltern und Schülern zu übersetzen.

Das Projekt wurde noch unter der ehemaligen Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) entwickelt, um die 14.000 Flüchtlinge, die sich derzeit an den Schulen befinden, besser zu integrieren. Die neue Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) sieht bei ihrem Besuch das Projekt vor allem als Maßnahme, um "die Kinder dort abzuholen, wo sie stehen". Es gelte Flüchtlingskinder "so schnell wie möglich in unsere Gesellschaft zu integrieren". Diesbezüglich seien die interkulturellen Teams als ein Anfang zu sehen.

Schüler in U-Haft

Dass die Maßnahme nur ein Anstoß sein kann, das sehen bei Hammerschmids Besuch auch Direktorin Vogel-Waldhütter und der zuständige Bezirksschulinspektor Christian Schütz so. "Die Notwendigkeiten sind viel größer", sagt Letzterer zur Ministerin. Ihn stört, dass nur neue Flüchtlingskinder von der Maßnahme profitieren. "Wir haben hier zwei Schüler, die auch Flüchtlingskinder waren. Sie haben traumatisierende Erlebnisse mitgebracht. Die wurden aber, weil es dieses Angebot nicht gab, nicht aufgearbeitet." Derzeit sitzen die beiden Schüler in Untersuchungshaft.

Tatsächlich kann man bei den interkulturellen Teams von keiner flächendeckenden Maßnahme sprechen. In Wien sind etwa sechs Teams mit je drei Personen in sechs Schulen im Einsatz. Zum Vergleich: Insgesamt gibt es in der Hauptstadt rund 220.000 Schüler und 380 Pflichtschulen. Die Finanzierung der interkulturellen Teams ist zudem nur bis Ende 2016 gesichert. (Lisa Kogelnik, 26.6.2016)