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Die Waffen in Kolumbien sollen bald schweigen. Ein erster Schritt zur Beilegung des Bürgerkriegs ist gemacht: eine Feuerpause. Aber auch an den Frieden wird sich das Land erst gewöhnen müssen.

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STANDARD: Wie geht es nach dem Waffenstillstand und der im Juli geplanten Unterzeichnung des Friedensvertrags weiter?

Vargas: Präsident Juan Manuel Santos will die Verträge dem Volk zur Abstimmung vorlegen. In Kürze wird das Verfassungsgericht entscheiden, ob das entsprechende Gesetz über das Plebiszit verfassungskonform ist. Wichtig ist, dass die Bevölkerung das Abkommen billigt, denn damit bekommt der Frieden erst Legitimität.

STANDARD: Laut Umfragen besteht aber die Gefahr, dass der Friedensvertrag abgelehnt werden könnte.

Vargas: Umfragen sind das eine, Stimmen das andere. Ich halte die Gegner des Friedens in den Medien für überrepräsentiert.

STANDARD: Welche Gefahren gibt es sonst noch für den Frieden?

Vargas: Zunächst die Umsetzung der Friedensverträge durch die Farc und die Regierung. Das ist nicht selbstverständlich, denn in Kolumbien erlässt die Regierung normalerweise Gesetze, an die sie sich dann nicht hält. Auch die Sicherheit ist eine Herausforderung: Der Staat ist noch längst nicht überall präsent und wird durch kriminelle Gruppen herausgefordert. Das alles wurde bei den Verhandlungen aber bedacht. Es gibt Garantien für die ehemaligen Rebellen in ihrem Prozess der Rückkehr ins zivile Leben. Es gibt eine neue Sicherheitsdoktrin, die vorsieht, dass der Staat die kriminellen Banden sehr viel härter bekämpft. Ein weiteres Problem wird die Umstellung der Kriegswirtschaft sein. Neue Wirtschaftszweige werden entstehen, andere eingehen. Ein großes Problem werden die Drogen bleiben. Solange die internationale Gemeinschaft keine Schritte zur Legalisierung unternimmt, werden uns Anbau und Schmuggel weiter enorme Sorgen machen.

STANDARD: Wie ist die Gesellschaft nach 50 Jahren Krieg auf den Frieden vorbereitet?

Vargas: Die Zivilgesellschaft wurde von Anfang an in den Prozess miteinbezogen. Ein Mentalitätswandel braucht aber Zeit und kann nicht von oben verordnet werden. Wir müssen lernen, mit Andersdenkenden zu koexistieren, statt uns gegenseitig umzubringen.

STANDARD: Die Umsetzung des Friedensvertrages wird viel Geld kosten. Die internationale Gemeinschaft hat ein paar Millionen versprochen. Reicht das?

Vargas: Die Kosten für den Frieden werden wir Kolumbianer selbst tragen müssen. Die internationale Gemeinschaft klopft uns auf die Schulter, zückt aber nur zögerlich den Geldbeutel. Der Frieden wird Kolumbien Geld kosten – wie auch der Krieg Geld gekostet hat.

STANDARD: Eine Ursache für den Bürgerkrieg war der Landkonflikt. Ist der denn nun durch das Abkommen beigelegt?

Vargas: Bei den Friedensverhandlungen in Havanna wurde keine klassische Landreform verabschiedet. Vielmehr wurde vereinbart, geraubtes Land zurückzuerstatten und die Bauern dann finanziell und technisch zu unterstützen. Die Wirtschaftspolitik wird weiter Konflikte erzeugen oder auch verschärfen, aber wir haben dann hoffentlich gelernt, zivilisierter damit umzugehen. (Sandra Weiss, 23.6.2016)