Der Quantenfeldtheorie zufolge können aus dem Vakuum spontan Teilchen-Antiteilchen-Paare entstehen. Aufgrund seiner Komplexität lässt sich dieses Phänomen auf klassischen Computern nur bedingt berechnen. Innsbrucker Physikern ist es nun erstmals gelungen, mit einem Quantencomputer die spontane Entstehung von Teilchenpaaren zu simulieren, berichten sie im Fachjournal "Nature".

Im Vakuum gibt es keine Teilchen, aber die Energie des leeren Raums kann nie gleich null sein: Sogenannte Quantenfluktuationen führen zu Energiefluktuationen und aufgrund der Äquivalenz von Masse und Energie, die sich in Albert Einsteins berühmter Formel E=mc2 zeigt, können daher spontan Teilchen-Antiteilchen-Paare entstehen.

Ein eigenes kleines Wissenschaftsfeld

Dynamische Prozesse wie die spontane Entstehung von Teilchen-Antiteilchen-Paaren oder die Kollision von Elementarteilchen lassen sich auf klassischen Computern nur schwer simulieren, solche Berechnungen stoßen sehr rasch an Grenzen. "Deshalb existiert schon seit mehreren Jahren die Idee, solche Phänomene auf einem Quantensimulator zu simulieren, da hat sich ein eigenes kleines Wissenschaftsfeld gebildet", erklärte die theoretische Physikerin Christine Muschik vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Innsbruck.

Bisher habe es aber nur Theorien dazu gegeben, aber noch keine Experimente, "weil das so schwierig umzusetzen ist". Die Innsbrucker Physiker haben nun in ihrer Arbeit einen neuen sehr ressourcensparenden Ansatz für eine solche Simulation vorgelegt und auch gleich experimentell umgesetzt. Sie bauen dabei auf dem in Innsbruck bereits realisierten Quantencomputer auf.

Dieser macht sich die Phänomene der Quantenphysik zunutze, um bestimmte Probleme wesentlich schneller zu lösen als ein klassischer Computer. Die kleinste Informationseinheit ist dabei nicht mehr das Bit, das exakt zwei Zustände (Ja/Nein oder 0/1) kennt, sondern das Quantenbit (Qubit). Dieses kann verschiedene Schwebezustände oder "Superpositionen" zwischen zwei Möglichkeiten einnehmen.

Mit bis zu 14 verschränkten Ionen

Die Innsbrucker Physiker um Rainer Blatt realisieren diese Qubits mit in speziellen Fallen gespeicherten Ionen. Sie können mit bis zu 14 verschränkten Ionen – und damit ebenso vielen Qubits – rechnen.

Für die Quantensimulation der spontanen Entstehung von Elementarteilchen-Paaren benötigen die Physiker nur vier Ionen. "Wir haben einen Weg gefunden, die elektromagnetischen Felder nicht extra simulieren zu müssen, ihre Wirkung ist in dem Modell aber vorhanden", sagte Muschik. Damit könnten die vorhandenen Ressourcen, nämlich die vier Ionen, "extrem effizient" genutzt werden. Jeweils zwei Ionen repräsentieren ein Teilchen-Antiteilchen-Paar – konkret ein Elektron und ein Positron.

Zunächst mussten die Wissenschafter dem Quantensystem beibringen, die fundamentalen Naturgesetze zu respektieren. Mit Laserpulsen wird dann ein elektromagnetisches Feld im Vakuum simuliert. Daraufhin können sie beobachten, wie aus der Energie dieses Felds aufgrund von Quantenfluktuationen Teilchenpaare entstehen und sich diese wieder vernichten. Angezeigt wird das durch Aufblinken bzw. Verlöschen von jeweils zwei Ionen.

"Verändern wir die Bedingungen des Quantensystems, können wir den dynamischen Prozess der Paarbildung mitverfolgen und studieren"

Dies wird durch eine Veränderung des Zustands der Ionen, konkret ihres Spins, bewirkt. Je nach Spin der Teilchen blinken sie auf oder nicht. In der Simulation bedeutet das Aufleuchten von zwei Ionen die Entstehung eines Teilchenpaares, ihr Verlöschen auf deren Vernichtung. "Verändern wir die Bedingungen des Quantensystems, können wir den dynamischen Prozess der Paarbildung mitverfolgen und studieren", so Muschik.

Die Innsbrucker Physiker sehen ihr Experiment als "Brücke zwischen zwei Teilgebieten der Physik": Probleme der Hochenergiephysik würden mit Methoden aus der Atomphysik studiert. Für den theoretischen Physiker Peter Zoller "ergänzen sich diese beiden Zugänge perfekt". Es könnten mit Quantensimulatoren zwar die Experimente in Teilchenbeschleunigern wie am Europäischen Labor für Teilchenphysik CERN in Genf nicht ersetzt werden, aber möglicherweise ließen sich diese Experimente einmal besser verstehen.

Die Wissenschafter sind zuversichtlich, dass sich in Quantensimulationen auch neue Prozesse studieren lassen. So konnten sie in ihrem Experiment die Verschränkung zwischen den beiden entstehenden Teilchen untersuchen, was in einem Teilchenbeschleuniger nicht möglich ist. Muschik sieht in dem Experiment einen ersten Schritt, dem kompliziertere Modelle folgen sollen, etwa die Simulation von Elementarteilchen wie Quarks und Gluonen. (APA, 23.6. 2016)