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Das Sparschwein der österreichischen Sparvereine wird durchsichtig. Am meisten davon betroffen ist die Bawag. Bei ihr halten Sparvereine in Summe rund 2,2 Milliarden Euro an Einlagen.

Foto: dpa / Peter Kneffel

Wien – Ziemlich kalte Füße hat sich die Bawag vorige Woche geholt: In einem Schreiben an die Funktionäre von Sparvereinen teilte sie selbigen die Kündigung ihrer Konten mit – ein Aufschrei war die Folge. Die Bawag gilt seit 50 Jahren (1966 wurde der Verband österreichischer Sparvereine, VÖS, gegründet; er führt seine Konten bei der ehemaligen Gewerkschaftsbank) als die Sparvereinsbank schlechthin – mit rund 1300 Vereinen als Kunden.

Die Sammelkonten, auf denen die Guthaben der einzelnen Sparvereine und ihrer Mitglieder liegen, müssen nun bis Ende September aufgelöst werden. Die Bawag bietet den einzelnen Mitgliedern u. a. den Transfer auf Sparkarten an, samt (vorübergehend) doppelten Zinsen und anderen Sonderkonditionen.

Infos fürs Kontenregister

Der Grund dafür betrifft freilich alle österreichischen Kreditinstitute – und heißt Bankenpaket bzw. zentrales Kontenregister und Meldepflichten. Gemäß dem Gesetzespaket müssen österreichische Institute ab Oktober u. a. ihre Meldungen fürs zentrale Kontenregister erstatten. Selbiges wird beim Finanzministerium eingerichtet, gemeldet werden müssen gemäß Gesetz alle Einlage-, Giro- und Bausparkonten sowie Wertpapierdepots von natürlichen Personen und Rechtsträgern. Zudem müssen die Geldhäuser das Ministerium über "größere Kapitalabflüsse" informieren, die seit 1. März 2015 von Privatkonten erfolgt sind. Damit sind Zahlungen ab 50.000 Euro gemeint.

Was das mit den Sparvereinskonten der Bawag zu tun hat? Sie hat nur Einblick in die Gesamtsumme, die auf dem jeweiligen Sammelkonto liegt – wie der Sparverein das Geld an seine einzelnen Mitglieder verteilt, sieht sie aber nicht. Individuelle Meldungen, wie sie das Gesetz verlangt, sind daher nicht möglich.

"Die fehlenden Daten bei den Sparvereinsfunktionären zu erheben" erscheint der Bawag eine zu große Arbeitsbelastung für alle Beteiligten. Zudem, so ließ die in US-Eigentum stehende Bank die APA wissen, hätten sich die Einlagen in den Sparvereinen in den vergangenen drei Jahren sowieso "mehr als halbiert".

Sparkarte statt Anonymität

Tatsächlich haben Sparvereine bei der Bawag Einlagen von rund 2,2 Milliarden Euro liegen. Die nunmehrige Kündigung der Vereinskonten betrifft aber nur noch einen kleinen Prozentsatz davon: rund 140 Millionen Euro. Die Sparer, denen der große Rest gehört, sind schon auf Sparkarten umgestellt, wie es in der Bawag heißt. Die jetzt noch betroffenen Sparer werden eben auf Sparkarten umgestellt, oder sie können das ihnen zustehende Geld in bar abholen oder sich überweisen lassen. Der Sparverein lebt trotzdem weiter, der Sparer bleibt auch Mitglied.

Der Präsident des (in der Bawag domizilierten) VÖS, Ex-OMV-Betriebsratschef Leopold Abraham: "Das Vorgehen der Bawag freut uns nicht, es ist ihr aber aus gesetzlichen Gründen nichts anderes möglich." Auch laut Abraham ist das Handling der Sparvereine mühsamer geworden, "es wurde immer schwieriger, Funktionäre für Sparvereine zu finden". Die Sparvereine, betont der VÖS-Präsident, bleiben aber bestehen, gekündigt würden nur die Konten.

Starker Gewerkschaftsarm

Die Aufdröselung der Sparguthaben von Vereinsmitgliedern auf individuell zuordenbare Konten findet – Stichwort neue Meldepflichten – auch bei den übrigen Banken statt. Sie haben aber wesentlich weniger Sparvereine unter ihrer Kundschaft als die Bawag. Die hatte schon 2010 fast 4000 Vereine mit 260.000 Sparern. Heute gibt es in Österreich rund 15.000 Sparvereine.

Die dominante Stellung der Bawag erklärt sich in erster Linie mit ihrer einstigen Funktion als Gewerkschaftsbank. Gewerkschaftlich organisierte Betriebsräte gründeten in den Unternehmen Sparvereine, ihre Konten hielten diese bei der Bawag. Und die räumte nicht nur gute Sparkonditionen ein, sondern auch gute Konditionen für Kredite.

Die Summen, um die es geht, sind zum Teil beachtlich – anders als bei den meist kleineren Wirtshaus-Sparvereinen. So gibt es bei der Bawag durchaus Vereine, die bis zu mehr als vier Millionen Euro auf dem Konto liegen haben; bei rund 360 Mitgliedern.

Diskretes Geld

Das Procedere bei den Betriebssparvereinen sieht in aller Regel so aus: Die Arbeitgeber ziehen den monatlichen Sparbetrag gleich von den Bezügen ab und überweisen ihn aufs Sparbuch des Vereins – für den einzelnen Mitarbeiter und Sparer eine Art "heimliches Geld", das mitunter für diskrete Zahlungen verwendet wird, wie ein mit den Dingen Vertrauter erzählt. Denn die interne Zuordnung des Geldes zum einzelnen Sparer übernahm der zuständige Vereinsfunktionär oder Betriebsrat – nach außen wurde das eben nicht sichtbar. Dieses "relativ anonyme Geld" (VÖS-Chef Abraham) wird nun zu offiziellem – was nicht alle Betroffenen freut. (Renate Graber, 25.6.2016)