Das Café Weidinger am Wiener Lerchenfelder Gürtel, direkt gegenüber der Lugner City. Weiße Store verhängen die Fenster blickdicht. Schilder an der Fassade versprechen Billard, Kegelbahn und Altwiener Kaffeehausgarten. Hier trifft DER STANDARD Stefanie Sargnagel zum Gespräch. Es ist Wochenanfang, später Nachmittag.

STANDARD: "Hat man als Hype das Recht auf 1 Woche Ruhe? Oder muss man sich opfern bis zum Tod?", haben Sie kürzlich auf Facebook gepostet. Muss man als Publikum ein schlechtes Gewissen haben?

Sargnagel: Nein, aber Lesereisen sind immer so extrem anstrengend, find ich, und danach möchte man immer Ruhe haben. Und es gibt da jetzt eben Sachen, die ich nicht wegschieben kann.

STANDARD: Es ist inzwischen recht viel Trara geworden?

Sargnagel: Es hat sich schon irgendwie abgezeichnet, dass es wächst und wächst. Was mich überrascht hat, war, dass so viele Mainstreammedien wie Österreich und Heute da mitmachen und dass auch aus Deutschland was kommt. Ich hatte schon immer Leute, die das gelesen haben, die keine Masse waren, aber irgendwas mit Medien zu tun haben. Die ersten Fans waren Leute, die meist was Mediennahes machen. Die Masse ist erst jetzt gekommen.

STANDARD: Sie haben dank dieser Masse gekündigt, davor im Callcenter gearbeitet. Was lernt man da über das Wesen des Menschen?

Sargnagel: Ich hatte damals einfach mehr Anschluss zur Gesamtbevölkerung. Ich kann heute vieles gar nicht mehr wiedergeben, weil meine Freunde eher Linke und Künstler sind. Auch wenn man in einem Wirtshaus arbeitet kann man viel mehr drüber sagen als ich in meinem neuen Job.

STANDARD: Haben Sie Angst davor, dass dieser Wirklichkeits-Teil jetzt wegfällt?

Sargnagel: Ich find’s ein bisschen schade. Aber es ist auch nicht schlimm.

STANDARD: Sie haben die Telefonate aus dem Callcenter auch mitgeschrieben.

Sargnagel: Die Leute fanden die lustig, so skurrile Dialoge kann man aber eigentlich in jedem Dienstleistungsjob mitschreiben. Da hab ich selbst am wenigsten gestaltet. Mir fehlen die jetzt nicht besonders, die finde ich eher langweilig, weil ich viel lieber kreativ arbeite.

STANDARD: Wie hat sich Ihr Leben durch die Kündigung verändert?

Sargnagel: Man muss sehr diszipliniert sein. Heute zum Beispiel habe ich nichts gemacht. Ich bin nur im Bett gelegen den ganzen Tag. Man hat einfach keine richtige Struktur.

STANDARD: Sie haben jetzt auch zum ersten Mal Internet daheim.

Sargnagel: Erst wollt ich kein Internet daheim, weil es ein Zeitfresser ist, deshalb hatte ich den Fernseher, weil ganz ohne Berieselung ist es auch blöd in der Wohnung. Im Internet hat man nur die Informationen, die man sich selbst sucht, im Fernsehen kommt halt immer irgendwas. Eine Tierdoku oder so und dann erfährst du was über Löwen. Im Internet würde ich nichts über Löwen lesen.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

STANDARD: Wie kann man sich den neuen Job, den Alltag als Autorin vorstellen?

Sargnagel: Es ist sehr viel sehr profanes, fades Zeug. Ich muss sehr viele Rechnungen schreiben, sammeln, heften. Einen Steuerberater suchen. Meine Verträge mit jemandem besprechen. Sachen ausfüllen. E-Mails beantworten. So extrem fade Sachen, die ich dann immer rausschieb. Das nervt mich. Meine Mutter hilft mir ein bisschen, ich bin wahnsinnig schlecht darin.

STANDARD: Wie funktioniert bei Ihnen das Schreiben?

Sargnagel: Ich surfe im Internet. Wie alle anderen auch. Prokrastinieren. Irgendwelche Websites anschauen oder auf Twitter herumpöblen. Zeichnen ist das Chilligste, das mach ich am liebsten.

STANDARD: Wie sehr kokettieren Sie und wie sehr ist das, was Sie schreiben, echt?

Sargnagel: Es hat echte Grundlagen, ist aber schon überspitzt. Es gibt Leute, die denken sich gut Geschichten aus, aber mir liegt das weniger. Es muss schon einen real erlebten Bezug haben – wo man dann überspitzt, weglässt, übertreibt. Jetzt lass ich grad mehr so heraushängen, wie reich ich bin.

STANDARD: Sind Sie so reich?

Sargnagel: Es ist ja humorvoll gemeint. Vorher hab ich noch viel prekärer gelebt. Das war viel einfacher: Da kann man drüber reden und viele fühlen sich verstanden, weil es ihnen auch so geht. Jetzt muss ich aufpassen, dass es nicht angeberisch ist. Es ist leichter, über sein Pleiteleben zu erzählen als über Erfolgserlebnisse

STANDARD: Finden Sie, dass Sie erfolgreich sind?

Sargnagel: Im klassisch gesellschaftlichen Sinn schon. Es läuft alles ganz gut, ich verkaufe viele Bücher. Aber was jetzt wirklich Erfolg ist? Ich find, möglichst wenig arbeiten müssen ist viel Erfolg. Und ein gesundes Sozialleben haben.

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STANDARD: Es kommen einige Facebook-Postings am Tag zusammen. Ist es anstrengend, immer was zu finden?

Sargnagel: Gar nicht. Ich muss auch sagen, manchmal schreib ich tagelang nur fade Sachen und dann kommen wieder mal gute. Es ist eher ein Bedürfnis von mir, dass ich mich mitteile. Ein Mitteilungsbedürfnis, wo ich gar nicht so einen Anspruch hab. Ich such auch nicht verkrampft.

STANDARD: Sind Sie rebellisch?

Sargnagel: Ich empfind mich nicht als rebellisch. Was ich mache, find ich sehr normal und sehr vernünftig. Aber ich weiß schon von der Schule her, dass das als sehr rebellisch wahrgenommen wird. Es ist nicht so, dass ich aus reiner Provokation Dinge mach, aber ich habe schon eine sehr antiautoritäre Veranlagung, bin skeptisch gegenüber Haltungen.

STANDARD: Wann hat das mit den Postings angefangen?

Sargnagel: Ich hab seit ich 15 bin viel gepostet. Weil ich so mitteilungsbedürftig bin. Ich so einen Blog gehabt, da hab ich Zeichnungen und Alltagsgeschichten draufgestellt. Aber nicht mit literarischem Anspruch, sondern einfach dem Erzähldrang nach.

STANDARD: Wie würden Sie nennen, was Sie heute machen? Literatur?

Sargnagel: Nicht alles, was ich auf Facebook stelle, hat literarischen Wert. Aber ich finde, es gibt Texte von mir, von denen würd ich sagen, das sind eindeutig Texte mit literarischem Wert. Insgesamt haben sie einen eigenen lakonischen Erzählstil. Ich mag eine einfache, reduzierte Sprache, deshalb wird’s von manchen Institutionen auch nicht literarisch gewertet, aber ich mach das ja absichtlich. Ich versteh nicht ganz, dass Unterhaltungskunst immer ein bisschen weniger wert sein soll. Auch ein Witz kann eine starke Tiefe oder sprachliche Raffinesse haben.

STANDARD: Auftragstexte schreiben Sie kaum mehr?

Sargnagel: Ich mag Reportagen, Erlebnisberichte: irgendwo hinfahren, was erleben und nacherzählen. Aber essayistisch ins Nichts hineinschreiben, das mag ich nicht so. Da ist mir mein eigener Anspruch auch zu hoch – das müsste schon sehr gut sein, aber dazu fehlt mir die politische Bildung. Ich find, dass Künstler oft einen Blödsinn schreiben, weil sie eben nicht Experten für alles Mögliche sind.

STANDARD: Sie sind eine Autorin der kurzen Formen.

Sargnagel: Ich habe ja immer das Gefühl, ich könnt alles weglassen, es ist alles so unnötig: und dann bin ich dahin gegangen ... die Autos waren so ... und das war so... Das kann man ja alles weglassen, eigentlich. Ich will möglichst schnell auf den Punkt kommen.

STANDARD: Da war der Bachmannpreis als nächste Station nicht vorgezeichnet...

Sargnagel: Ich wurde eingeladen. Von allein wär ich nicht auf die Idee gekommen, auch weil ich so lange Texte nicht gern schreibe. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass mich jemand fragt, weil ich von Literaturinstitutionen selten angefragt werde. Und ich wusste auch nicht, wie ich rangehen soll. Obwohl ich es zwei Monate wusste, hatte ich bis zwei Tage vorher nix. Dann habe ich halt so Sachen ausprobiert und schon aufgegeben. Zwei Nächte vorher ging es dann aber eh und ich hab ein paar Ausgeherlebnisse verarbeitet.

STANDARD: Tex Rubinowitz wettet auf den Publikumspreis für Sie.

Sargnagel: Das ist auch sehr wahrscheinlich, weil ich so viele Internetfans hab. Es ist schon fast ein bissl ungerecht. Ich überleg mir, ob ich am besten gar keine Aufforderung schreib.

Foto: Heribert Corn/www.corn.at

STANDARD: Empfinden Sie sich als underground?

Sargnagel: Ich hatte nie den Anspruch, underground zu werden. Underground hat man weniger Geld, besseres Publikum und weniger nervige Kommentare, keine Shitstorms. Aber ich merk, ich bin schon so ein bissl Machtmensch.

STANDARD: Was gefällt Ihnen an der Macht?

Sargnagel: Einflussnahme. Dass ich, wenn ich mich über was aufrege, politisch oder polemisch, es aufgegriffen wird von irgendwelchen Medien. Oder dass man sich mit Freundinnen und Kollegen gegenseitig supporten kann. Und ich find’s cool, wenn man ein Internetpublikum hat, dass man alles ein bissl steuern kann. Wenn Journalisten irgendwas schreiben, kann man sofort sich darüber aufregen und es lesen wahrscheinlich ähnlich viele Leute.

STANDARD: Es gibt von Ihnen auf Facebook mittlerweile wahnsinnig viele politische Postings.

Sargnagel: Das hab ich früher zum Beispiel überhaupt nicht gemacht. Das mach ich erst seit ich mehr Reichweite habe. Davor haben ja nur Leute meine Sachen gelesen, von denen ich wusste, dass sie meine Meinung teilen.

STANDARD: Sie haben Freude daran, die zu ärgern, von denen Sie eh schon wissen, die mögen Sie nicht?

Sargnagel: Ich trolle schon gern. Es macht auch als rhetorisches Spiel Spaß. Oft hab ich aber das Gefühl, etwas wird radikaler interpretiert, als es eigentlich gemeint ist. Dass manches so provoziert fällt mir erst auf, seit das mehr Leute lesen. Davor hab ich ja nur für meine, sozusagen, Blase geschrieben. Da hat das nicht provoziert, sondern die Leute eher bestätigt in ihren Weltsichten.

STANDARD: Sie verfolgen die Postings zu sich…

Sargnagel: Ich verfolg das immer gern alles und bin gespannt, wann das aufhören wird. Ich ärger mich auch drüber und reagier viel. Da denk ich mir manchmal, es ist unprofessionell, aber es macht mir Spaß.

STANDARD: Sie posten aber nicht mehr alles öffentlich.

Sargnagel: Wenn ich z. B. Linke kritisier, mach ich das nicht öffentlich. Das sollen dann nur meine Freunde lesen. Weil das sonst von Rechten instrumentalisiert wird, oder geteilt. Das will ich vermeiden. Es ist eh schwierig, aber man hat halt Öffentlichkeitswirksamkeit. Wenn man in so einer großen Öffentlichkeit kommuniziert, muss man schauen, wer das verwendet. Und es gibt genug Leute, die das ohnehin machen, das muss nicht ich machen. Ich bin generell ein bisschen anti, damit bin ich auch in linken Kreisen angeeckt.

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Foto: EPA/HORST OSSINGER

STANDARD: Ihre Postings sind meist recht deftig. Wie halte Sie es mit political correctness?

Sargnagel: Wenn ich in einer urlinken Gesellschaft bin, hab ich schon auch Lust, das anzugreifen. Aber in der Mainstreamöffentlichkeit hab ich die Tendenz, das zu verteidigen. Alle Szenen werden sehr dogmatisch, wenn man sich nur in ihnen aufhält. Ich bin auf jeden Fall viel korrekter geworden. Wenn ich Sachen von früher anschaue, stehen da oft Sachen, die würd ich nicht mehr so schreiben.

STANDARD: Aus Verantwortungsgefühl?

Sargnagel: Ja, Verantwortungsgefühl. Auch wenn es mir oft am Oasch geht, identifizier ich mich tendenziell mit Leuten, die political correctness einfordern. In dieser Szene aber würd ich auch wieder durchdrehen und die ganze Zeit unkorrekt sein wollen. Ich mach gern edgy-Witze, aber eine Grundkorrektheit ist mir schon wichtig. Ich hab einen gewissen Gerechtigkeitssinn und will mich aufregen. Wie viel Einfluss man mit sowas auf Menschen nimmt, kann ich nicht beurteilen.

STANDARD: Wie darf man sich Ihre Kindheit vorstellen?

Sargnagel: Ich bin in einer normalen Wohnung in Hernals groß geworden. Ich sag immer, dass ich mehr aus einem bäuerlichen Arbeitermilieu komm, und meine Schulen immer sehr bürgerlich waren, wo ich witzig fand, dass einen die anderen wegen derberer Sprache gleich so oag finden. Als Bauernhofkind sagt man halt scheißen und brunzen. Alles ganz normale Wörter halt.

STANDARD: Was, glauben Sie, fasziniert die Feuilletons an Ihnen?

Sargnagel: Ich glaube, Anarchohumor hat ein bisschen gefehlt in den letzten Jahren. Dass es so viel mit meinem Geschlecht zu tun hat, denke ich nicht. Aber wenn ich schwarz oder ein Mann wär, würd ich auch andere Witze machen.

STANDARD: Was gefällt Ihnen am Grind?

Sargnagel: Ich mag ganz gern Unverblümtheit, Enttabuisierungen. Ich fühl mich von kaputteren, grauslicheren Sachen mehr angezogen. Weil sie vielleicht auch ein bisschen authentischer, wahrhaftiger sind. In einem Beisl kriegt man von den Leuten mehr mit als in einem, feinen, bürgerlichen Lokal, da sind die Leute sehr reserviert und zeigen nicht so viel von sich. Ich würd mich auch für die oberen 10.000 interessieren, aber an die kommt man nicht so leicht ran.

STANDARD: Wie kalkuliert sind die Einträge?

Sargnagel: Es ist sehr impulsiv. Ich geh gern ein bisschen zu weit. Ich denk nicht groß drüber nach, was ich poste, aber ich überleg manchmal schon, ob etwas zu weit geht, grenzwertig ist.

STANDARD: Machen Sie sich manchmal Gedanken, dass Ihnen manches irgendwann einmal auf den Kopf fällt?

Sargnagel: Ich glaub, ich bin da sehr leichtsinnig, manchmal zu leichtsinnig. Ich hab schon kurz Sorgen gehabt, dass ich verklagt werde. Aber dadurch, dass, wenn ich etwas schreib, es doch 30.000 Leute lesen, fühl ich mich schon recht sicher. Läsen es nur 3000, würd ich manches vielleicht anders angehen. So eine Öffentlichkeit gibt einem schon auch eine gewisse Narrenfreiheit.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

STANDARD: Öffentlichkeit erzeugt auch Druck. Ihr Äußeres ist oft Thema. Ist Aussehen schon politisch?

Sargnagel: Rechte Männer greifen halt dein Aussehen an, meinen du bist fett, fett, fett, fett. Mit Lena Dunham habe ich aber nichts gemeinsam, außer dass wir in der Öffentlichkeit stehen und nicht urdünn sind. Politisch ist das nicht.

STANDARD: Stehen Sie für eine Generation oder Milieu?

Sargnagel: Schwierig. So Typen wie mich gab es immer schon. Vor allem find ich mich in den Generationsbildern, wie es sie momentan gibt, gar nicht wieder. Sobald mir Leute etwas zuschreiben, will ich immer sagen: "Nein, Nein, ist ja nicht so, ist das Gegenteil." Aber das ist mehr so eine Troll-Reaktion.

STANDARD: Es gibt in Österreich eine Tradition des Menschenhasses aus Menschenliebe. Das ist bei Ihnen der Fall, oder?

Sargnagel: Ja. Bösartig find ich meine Sachen gar nicht. Man merkt, dass ich Menschen mag. Ich beschäftig mich ja auch mit denen, schau sie genau an und was sie machen. Ich würd mich dem gar nicht so widmen, wenn ich es grauslich oder abstoßend fände.

STANDARD: Wie ernst nehmen Sie sich selbst?

Sargnagel: Ich bin schon sehr selbstironisch. Aber in dem kann man sich ja trotzdem ernst nehmen.

STANDARD: Viele feiern Sie als erlösend unmotiviert und unambitioniert. Was halten Sie von Karriere?

Sargnagel: Das Anti-Karrierestreben wurde sicher am Anfang noch viel stärker, weil jetzt hab ich ja eine gewisse Karriere. Ich hab einmal geschrieben, Karriere ist was für Leute ohne Fantasie – das kann ich jetzt nicht mehr bringen, weil jetzt hab ich ja selber eine.

STANDARD: Besteht bei all dem Erfolg die Gefahr, Ehrgeiz zu entwickeln?

Sargnagel: Ich glaub, ich bin eh ehrgeizig. Ich bin nur nicht sehr fleißig.

STANDARD: Wie hat der Sprung vom Internet in die analoge Welt und die des Geldverdienens dann geklappt?

Sargnagel: Ich hab alles immer gleich angenommen, was mir angeboten wurde. Dadurch, dass ich keine Ausbildung hab, hab ich mir gedacht, ja super, sicher mach ich das alles.

STANDRAD: Inzwischen auch Comics für den Falter.

Sargnagel: Es ist nicht so gut bezahlt, aber wenn da mehr käme, wär das cool.

STANDARD: Es entwickelt sich grad viel?

Sargnagel: Ich glaub, meine Themen ändern sich. Und das ist ganz interessant. Es wär ja langweilig, wenn man immer gleich bleibt und sagt, man muss jetzt ein Suffpunk bis 50 sein und dann sterben. Ich merk, diese Alkiwitze find ich nicht mehr so lustig. Ab 30 sind sie einfach nicht mehr so witzig.

STANDARD: Haben Sie mit dem 30er im Jänner das Gefühl gehabt, es muss sich was ändern?

Sargnagel: Nein, das hängt einfach mit physischen Zuständen zusammen. Ich war vorgestern weg und hab das Gefühl, das hängt mir immer noch nach. Dass man zwei Tage urmüde ist. Das geht einfach nicht mehr, sonst kriegt man nix mehr auf die Reihe. Ich stilisier das durch die Beisln Saufen auch nicht mehr so wie früher. Wenn du mit 20 sagst, ich bin b‘soffen irgendwo aufgewacht, ist das normal und geht durch. Wenn du das mit 30 schreibst, klingt’s einfach echt traurig. Als Frau klingt das noch ärger.

STANDARD: Haben Sie einen Plan, wohin es gehen soll?

Sargnagel: Eigentlich nicht. Es gibt leichte Pläne. Ich will mir finanziell möglichst viel Freiheit schaffen, dass ich nicht so viel machen muss. Ich war bis jetzt ja in der Position, dass ich alles zusage. Finanzielle Stabilität und Freiheit. Und ich würd gern mehr Animationsfilme machen, einen Youtube-Channel vielleicht. Einen Rap-Track würd ich auch gern aufnehmen, aber das sind keine langfristigen Pläne.

STANDARD: Eine Frage noch zur Baskenmütze...

Sargnagel: Die Haube trag ich seit ungefähr zehn Jahren. Die hab ich halt, weil ich schon immer gern ein Markenzeichen gehabt hab. Ich muss eh aufpassen, dass ich nicht immer das gleiche anzieh. Da steht keine große Überlegung dahinter. Wenn ich mit nassen Haaren rausgehe, kann ich die drunterstecken. (Michael Wurmitzer, 26.6.2016)

Stefanie Sargnagel wurde 1986 als Stefanie Sprengnagel in Wien geboren. Sie "studierte" Malerei an der Angewandten bei Daniel Richter, arbeitete im Callcenter, ist jetzt selbständig als Autorin. Sie schrieb Beiträge für Vice, die Süddeutsche und den Bayerischen Rundfunk, zeichnet nun regelmäßig Comics für die Stadtzeitung Falter. Bisher von ihr erschienen sind "Binge Living. Callcenter-Monologe" (2013) und "Fitness" (2015), beide bei Redelsteiner Dahimène Edition (rde). Sie lebt in Wien.

Zum Weiterlesen

Binge-Reading in Klagenfurt mit Stefanie Sargnagel