Wien – Der Froschkönig ist dabei, Maja und der faule Willi und Black Beauty. Lassie bellt, der Hahn kräht auf dem Mist. Eigentlich fehlt nur, dass er den Song Farmer John spielt, von den Premieres. Stattdessen intoniert er Mother Earth und Country Home. Die passen ebenfalls.

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Neil Young veröffentlicht am Freitag das Livealbum "Earth", am 23. Juli gastiert er auf der Burg Clam in Oberösterreich.
Foto: Reuters/MARIO ANZUONI

Country Home, das ist in seinem Fall die Broken Arrow Ranch in der Nähe von San Francisco. Dort lebt Neil Young. Da schraubt er an alten Autos, da steht in einer Scheune seine riesige Modelleisenbahn. Dort schreibt er seine Songs, von dort aus beobachtet er die Welt. Und Mutter Erde, das ist klar, die bereitet ihm Sorgen. Nein, eigentlich sind es die Menschen, die an ihr Raubbau betreiben und aus Gier Stück um Stück unser aller Existenzgrundlage vernichten. Darüber kann der 70-jährige Rockstar ein Lied singen. Oder zehn. Oder 20, mit dickem Hals und dünner Stimme.

In den Kampf zieht Young oft mit einem verrückten Pferd, mit Crazy Horse. So nennt sich seine Immer-wieder-Begleitband, doch zurzeit geht er fremd und rittert mit der Formation Promise of the Real gegen das Unrecht. In dieser Band spielen Willie Nelsons Söhne Lukas und Micah. Das frische Blut tut dem Veteranen gut. Das hat schon das im Vorjahr erschienene Album The Monsanto Years gezeigt, nun legt er mit dem Livealbum Earth nach. Earth ist eine Sammlung von Konzertmitschnitten, die Young um diverse Tiergeräusche aufgesext hat. Da quaken Kröten und Frösche, da wiehert der Gaul, da summen Insekten, ein Bacherl plätschert, irgendwo kläfft ein Köter, so eine Farm ist groß.

"A Rock Star Bucks A Coffee Shop" vom Album "The Monsanto Years".
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Field Recordings

Das klingt vielleicht ein wenig befremdlich, so als hätte der große Freigeist den Begriff Field Recordings zu wörtlich genommen. Doch wer Youngs Arbeit kennt, nimmt es als weiteres Mosaikteilchen eines Gesamtwerks zur Kenntnis, das sich nie um Einschätzungen von außen gekümmert hat. Neil Young macht, was er für richtig hält.

Dabei sind Alben entstanden, über deren Qualität man vorzüglich streiten kann, doch langweilig wurde es mit Neil nie. Auch im Vorfeld zu Earth gab es Aufregung. Neil Young, hieß es, erlaube Donald Trump seinen Song Rockin' in the Free World bei seinen Wahlkampfauftritten zu verwenden. Dazu wurde ein Foto von Trump und Young veröffentlicht, das schon vor ein paar Jahren entstanden ist.

Es folgte der rituelle Shitstorm im Netz, dann meldete sich der Bernie-Sanders-Unterstützer zu Wort, bezichtigte die Nachrichtenagentur Reuters der Falschinformation und stellte klar, dass er gegen die Verwendung seines Songs durch Trump sei. Das sei rechtlich nicht so einfach, doch im Normalfall genüge ein Anruf, nicht aber bei Trump. "Fuck you, Donald Trump!", richtete er ihm deshalb aus. Für die Richtigstellung hat er sich ein bisschen Zeit gelassen, aber gut, er ist gerade auf Europatournee. Diese beendet er am 23. Juli mit einem Konzert in Österreich, auf der Burg Clam.

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Die Setlist seiner aktuellen Tour besteht aus einem Querschnitt seiner bald 50 Jahre dauernden Solokarriere. Ähnlich verhält es sich mit der Songauswahl für Earth. Diese durchzieht das Thema Liebe und Zusammenleben. Wobei der relativ frisch geschiedene Musiker das Zusammenleben auf und mit dem Planeten meint. Das sind Begegnungen am Human Highway, die wir alle machen, bei denen sich Neil jedoch immer wundert, wie wir Menschen so garstig werden konnten. Wo doch klar ist, dass wir Liebe brauchen, um miteinander in Frieden leben zu können. People Want To Hear About Love verschreibt er dafür und – am Ende – den manifesten Rocker Love and Onle Love von seinem 25 Jahre alten Meisterwerk Ragged Glory.

Keine Abnützung

Daneben stellen Young und seine Band das bisher unveröffentlichte Seed Justice oder Big Box. Songs, die die perverse Agenda des Monsanto-Konzerns anprangern. Der steht für Entwicklungen, die Youngs Traum einer sich zum Positiven verändernden Menschheit entgegenlaufen. So etwas nimmt er persönlich, und recht hat er. Also spielt er Hippie Dream von Landing on Water (1986), einem ob seines sperrigen Bombasts umstrittenen Album in Youngs Karriere. Die Liveumsetzung hingegen ist süffig, geprägt von einem trägen Groove, den er in Songs wie Western Hero oder Vampire Blues weiterträgt.

Auch wenn sich anhand eines Liveabums mit weitgehend bekannten Songs keine neuen Erkenntnisse einstellen, belegt es doch, dass Youngs Lieder ebenso wenig Abnützungserscheinungen zeigen wie ihr streitbarer Schöpfer. Bis zum nächsten Studioalbum tröstet das allemal. (Karl Fluch, 22.6.2016)