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In immer mehr Ländern, wie hier im Jemen, nehmen Proteste gegen Zwangsehen von Kindern zu. In den Niederlanden, wo jährlich etwa 250 Kinder illegal verheiratet werden, startete die Regierung jetzt eine Gegeninitiative.

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Den Haag – Hast du Angst, dass deine Eltern dich im Heimaturlaub zurücklassen? Hinterlasse vor der Abreise deine Handynummer und die genaue Ferienadresse. Mach eine Kopie von all deinen Papieren. Auf einem USB-Stick. Nimm diesen Stick mit in die Ferien.

Mit konkreten Hilfsanweisungen versucht die niederländische Regierung auf einer neuen Website Mädchen aus Migranten- oder Flüchtlingsfamilien vor der Zwangsehe zu schützen. Das ist eine von mehreren Maßnahmen, die die Regierung ergriffen hat, nachdem die Ergebnisse einer Untersuchung bekannt geworden waren, mit der sich das Sozialministerium erstmals einen Überblick über das Problem verschaffen wollte. Ergebnis: In den Niederlanden werden jedes Jahr rund 250 Mädchen zu Kinderbräuten. Die meisten sind Migranten, die bereits lange in den Niederlanden leben; sie werden meist gegen ihren Willen während eines Heimaturlaubs verheiratet.

Familienehre

Bei 80 der 250 Mädchen handelt es sich um Flüchtlinge, die meisten kommen aus Syrien. Bisher sind die Niederländer von nur 30 syrischen Kinderbräuten pro Jahr ausgegangen. "Bei uns landen diese Mädchen in gemischten Schulkassen", erklärt Jannie Oenema von Fier, einer Organisation, die zwangsverheirateten Mädchen zu helfen versucht. "Das sind sie in ihrer Kultur nicht gewöhnt, deshalb werden sie von ihren Eltern zur Sicherheit verheiratet."

Andere dieser Kinderheiraten finden bereits in den Flüchtlingslagern statt. Zu ihrem eigenen Schutz, erklärt die Anthropologin Marja Buitelaar von der Universität Groningen: "In den Lagern ist das Risiko einer Vergewaltigung hoch. Dann stünden das Ansehen des Mädchens und die Familienehre auf dem Spiel."

Eine Million Euro pro Jahr

Experten fürchten, dass die wirkliche Zahl sehr viel höher liegt, denn die Untersuchung wurde vor dem Einsetzen des Flüchtlingsstroms 2015 durchgeführt. "Bei gut der Hälfte aller Flüchtlinge handelt es sich um Minderjährige", sagt Marc Dullaert, Vorsitzender von Children on the Move. "Die Zahl der zwangsverheirateten Kinder nimmt enorm zu, überall in Europa. Sie zu registrieren ist sehr schwierig."

Die Niederlande haben beschlossen, zur Bekämpfung der Kinderehen jedes Jahr eine Million Euro zur Verfügung zu stellen. Mit dem Geld wird nicht nur die neue Website finanziert, sondern auch Forbildungen für Lehrer, damit sie Signale erkennen: wenn Mädchen oft zu schwänzen beginnen oder absichtlich sitzenbleiben, um den Schulabschluss und damit die drohende Zwangsverheiratung hinauszuschieben. (Kerstin Schweighöfer, 20.6.2016)