Gerhart Holzinger, Präsident des Verfassungsgerichts, hat anlässlich der Wahlanfechtung ein umfangreiches Verfahren zu leiten.

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Die Botschaft gilt auch für Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer: "Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs soll man nicht persönlich nehmen", stellte Gerhart Holzinger, der Präsident, angesichts eines heiklen Falles einmal klar. Auch wenn der Bundespräsident das rechtmäßige Zustandekommen von Gesetzen unterschreiben muss, der Verfassungsgerichtshof hat in Österreich das letzte Wort – auch als moralische Instanz. Der gebürtige Gmundner sieht sich als Schnittstelle zwischen Politik und Recht, auch wenn der 69-Jährige keine Politik machen will.

Ganz ohne Berührungspunkte ist Holzingers Karriere dennoch nicht verlaufen. Der Oberösterreicher wuchs in einfachen Verhältnissen auf, sein Hauptschullehrer regte an, dass er ein Gymnasium besuchen soll. Er ist der Erste seiner Familie, der maturierte und studierte. Zunächst inskribierte er Germanistik, die Interpretation mittelalterlicher Gedichte schreckte ihn aber so sehr ab, dass er das Studienfach wechselte und auf Jus umschwenkte. Der verheiratete Vater zweier Töchter und Großvater eines Enkels hat die Liebe zur Sprache nicht verloren.

Der Jurist ist bekannt für präzise Formulierungen, geht auf im Feilschen um Worte beim gemeinsamen Verfassen von Urteilen und schwärmt für Goethes Faust. Obwohl Mit- glied des Cartellverbands, machte Holzinger im roten Umfeld Karriere, ohne dabei seine politische Unabhängigkeit zu verlieren. Unter Fred Sinowatz begann er im Verfassungsdienst des Kanzleramts, den er ab 1984 auch leitete. Kurz war er als ÖVP-Justizminister im Gespräch. Franz Vranitzky schlug Holzinger als Rechnungshof-Präsidenten vor, wo er aber mit Analogien zur Lopatka-Strategie bei der aktuellen Entscheidung dem blauen Kandidaten Franz Fiedler unterlag. Dann nominierten ihn die Roten als Verfassungsrichter, seit 2008 ist er höchster Höchstrichter.

Unbequem müssen Verfassungsrichter sein, sagte er über seinen Beruf auch einmal. Er war so unbequem, dass er, wie seine Vorgänger, den Zorn Jörg Haiders im Ortstafelstreit auf sich zog, und er nahm sich kein Blatt vor dem Mund, als er die Regierung wegen der Vorratsdatenspeicherung kritisierte.

Kondition beweist er als Marathonläufer und Triathlet. Ausdauer wird er in den nächsten Tagen beim größten Beweisverfahren des VfGHs brauchen. Dennoch befindet er sich im Endspurt seiner Karriere. Höchstrichter dürfen nicht älter als 70 Jahre sein. Für den Bundespräsidenten gilt das nicht. (Marie-Theres Egyed, 20.6.2016)