Foto: Seat
Grafik: der Standard
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Barcelona – Lange verdeckten Altea Allrad und der plastikbeplankte Freetrack als Feigenblätter eine Blöße, die doch unübersehbar war. Seat hatte keinen SUV. In der Zwischenzeit machte sich eine rasant wachsende Zahl von Abenteurern in ihren Allradkisten anderer Hersteller auf, die letzten weißen Flecken auf der Landkarte zu tilgen – was in Wahrheit keiner wagte, aber es sah zumindest ein bisschen danach aus.

Parfum von Verwegenheit

Jedenfalls war längst ein SUV-Hype ausgebrochen, der auf den bekannten Vorzügen des Konzepts wie erhöhte Sitzposition, dadurch bessere Übersicht und leichterer Ein- und Ausstieg, Souveränitätsgefühlsgewinn, Raumangebot eines großen Kombis, sorglose Fahrten zum Skilift (sofern man tatsächlich über 4×4 gebietet) inklusive jenes Parfums von Verwegenheit, das dem SUV-Fahrer über der Schulter weht. Man könnte alles. Man könnte die Welt retten. Wenn man wollte.

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Für derlei luxuriöse Gedanken hatte Seat keine Zeit. Die mussten zuerst ihre eigene Welt retten. Erst nachdem die erstarkte Performance von Ibiza, Alhambra und Leon eine ökonomische Atempause zeitigte, konnte man sich der Erschaffung eines SUVs widmen, und zwar unter Vermeidung der Irrungen und Wirrungen der Anfangsjahre, als mit bauchigen Karossen teilweise auf Leiterrahmen und Reserverad an seitlich angeschlagenen Hecktüren der Geist einer Wildnis beschworen wurde, die auf asphaltierten Wegen nie vorkam.

Leon auf Mezzaninhöhe

Heute sieht ein moderner SUV aus wie der Ateca. Scharf geschnitten, zügiger Strich, dynamisch kompakt, innen maximal geräumig. Seat musste ihn nicht erfinden. Den Designern spielte die Form des Leon in die Hand, die sie auf Mezzaninhöhe brachten, den Technikern wiederum die Erfahrung und die Bauteile der Mutter Volkswagen, die ihrerseits den Tiguan spät gebar und trotzdem stolz auf seine Blitzkarriere sein darf.

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Gegenüber dem neuen Tiguan, dem der Ateca viele Talente verdankt, bleibt der Seat längenmäßig um zwei Handbreiten zurück, er liegt mit bewährtem Fahrwerk und schlankem Gewicht leicht und spielerisch in der Hand. Hätte man nicht den besseren Ausblick, wähnte man sich in einem Golf, was die Hauptzielgruppe der Städterinnen und Städter weiter anschwellen lassen wird.

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Rund 5000 "blinde" Bestellungen in Deutschland, also die vorauseilende Gier auf den Ateca, bevor man ihn überhaupt sehen geschweige denn Probe fahren kann, beweisen das Vertrauen auf eine Marke, die solide Technik in juvenilem Auftritt präsentiert.

Süße Mitte

Sein Rüstzeug besteht aus Motoren von 115 bis 190 PS als Diesel oder Benziner und einem Fahrwerk, das die süße Mitte zwischen Komfort und agiler Sportlichkeit trifft. Laut Datenblatt knausert der Ateca beim Sprit. Der 2,0 TDI mit 150 PS verbraucht beispielsweise nur 4,3 Liter im Schnitt und geizt mit 112 g CO2 pro Kilometer. Der 1,4 TSI arbeitet mit Zylinderabschaltung im Teillastbereich und erreicht so die 5,3-Liter-Marke.

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Als Sinnbild seiner Aktualität dürfen die Voll-LED-Scheinwerfer gelten, wobei das weiße Tagfahrlicht zum gelb pulsierenden Blinker mutiert. Das blitzartig reagierende Allradsystem mit frei wählbaren Offroad-Konfigurationen macht den Weg frei in leichtes Gelände, aber dorthin zieht es ohnehin kaum jemanden. Und wenn unsere Winter so zahnlos bleiben, kommt man mit dem Fronttriebler genauso weit und steigt in den 1,0 Eco TSI, einen Dreizylinder mit 115 PS, um 19.990 Euro ein.

Fußtechnik

Der Kofferraum dehnt sich dann von 510 auf 1604 Liter, womit er sogar den neuen Volvo V90 übertrifft. Auf Wunsch und zu Extrakosten öffnet und schließt die Heckklappe elektrisch auf den unter dem Stoßfänger scherenden Fuß, was nicht neu, aber mit vollen Händen angenehm ist.

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Vieles kennt man schon aus anderen Autos des Konzerns: Die 360-Grad-Kamera, das automatische Einparken, den adaptiven Tempomaten, der erweitert durch den Traffic-Jam-Assist im Kolonnenverkehr selbstständig lenkt und bremst, oder die auf Knopfdruck ausfahrbare Anhängerkupplung. Den Unterschied machen ein paar Ideen, die zwar verzichtbar sind, aber zur innigeren Verbundenheit mit dem Auto anregen. Beim Entriegeln der Türen flammen LEDs im Außenspiegel auf und projizieren per Lichtspot Namen und Silhouette des Ateca auf den Boden. Und der Startknopf klopft im Lichtrhythmus eines erregten Herzens.

Multimedia

Als aktiver Beitrag zur Multimediagesellschaft wird Konnektivität auf umfassendem Niveau aufgeboten. Mit der jüngsten Generation der Easy-Connect-Infotainment-Systeme, mit Seat Full Link und der Seat ConnectApp. Das Media System Plus ist mit seinem 20,3 cm großen Bildschirm das Highlight, die Induktionsladeschale ermöglicht das kabellose Laden des Smartphones. Full Link integriert neben MirrorLink ebenso die Funktionen von Apple CarPlay sowie von Android Auto und ist somit mit praktisch allen Wischhandys kompatibel.

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Vermutlich wird der Ateca vom Markt freundlich aufgenommen und eine ähnliche Laufbahn wie der Tiguan beschreiten. Produkt und Preis könnten dazu einladen. (Andreas Hochstöger, 22.6.2016)