Welche Frau träumt nicht davon, vom Mann ihres Herzens förmlich auf Händen getragen zu werden? Für den Finnen ist dies mehr als nur ein bloßes Lippenbekenntnis. Im Gegenteil, er sieht diese Aufgabe eher sportlich. So am Freitag, 1. Juli, und am Samstag, 2. Juli 2016, wenn im finnischen Sonkajärvi die nunmehr 20. Weltmeisterschaften im Frauentragen steigen.

Foto: Pekka Honkakosk

Bei diesem skurrilen Wettbewerb sind die Skandinavier nicht allein. Vor mehr als 10.000 Zuschauern messen sich jährlich die Romeos aus aller Welt beim Tragen ihrer persönlichen Julia – auch wenn die Auserwählte in der Tat nicht nur auf Händen getragen, sondern gerne auch mal wie ein nasser Sack geschultert wird.

Die diesjährigen Teilnehmer stammen aus allen Teilen der Welt: Aus den USA, Mexiko, Japan, Australien, Weißrussland, Russland, Schweden Deutschland – und natürlich aus Finnland selber.


Foto: Pekka Honkakosk

Um für die Herkulesaufgabe gerüstet zu sein, benötigt ein jeder dieser Pfundskerle eine Dame, die mindestens 17 Jahre alt ist und wenigstens 49 Kilogramm auf die Waage bringt. Dabei kann es sich um die Angetraute, die Schwester oder Freundin oder einfach um eine Freiwillige aus dem Publikum handeln.


Foto: Pekka Honkakosk

Wie die holde Schönheit getragen wird, ist freigestellt. Das einzige erlaubte Hilfsmittel ist ein Gürtel, an dem sich die hübsche Last bei Bedarf festklammern kann. Mit der Dame seiner Wahl im Schlepp muss ein jeder Starter im K.o.-System nicht nur Runde für Runde die Konkurrenz mit den breiten Schultern hinter sich lassen, sondern auch noch verschiedene Hindernisse entlang des 253,5 Meter langen Parcours meistern.

Foto: Pekka Honkakosk

Darunter einen ein Meter tiefen Wassergraben. Dieser erfordert eine spezielle Technik, zumal der Boden extrem glitschig ist und die Dame wohl ungern den einen oder anderen Schluck Wasser zu sich nimmt. Wer seine bessere Hälfte fallen lässt, kriegt neben dem vorprogrammierten Ärger mit Selbiger auch noch 15 Strafsekunden aufgebrummt.

Die Wurzeln dieser ungewöhnlichen Weltmeisterschaft gehen zurück bis in das 18. Jahrhundert. Damals soll eine Diebesbande namens Rosvo-Roinkainen alles geklaut haben, was nicht niet- und nagelfest war. Besonders gern sollen sie die Frauen aus den Nachbardörfern geraubt haben. Mit der lieblichen Beute im Arm gaben die Schurken dann querfeldein mächtig Fersengeld.

Foto: Pekka Honkakosk

Die Ganovenbande treibt schon lange nicht mehr ihr Unwesen in der Region Savo. Geblieben ist aber die Tradition des Frauentragens. Was als Gaunerei begann, ist heutzutage ein ernstzunehmender Spaßwettbewerb, bei dem längst Starter aus anderen Nationen den Finnen den Rang abgelaufen haben.

Foto: Pekka Honkakosk

"Während des Rennens freut man sich, ein zartes Rehlein im Arm zu haben. Nach dem Sieg wünschte man eher sie wäre eine unangemeldete Massendemonstration", flachste der Este Madis Uusorg, als er vor rund einem Jahrzehnt strahlender Sieger wurde. Wohl wissend, dass ihm neben Ruhm, Ehre und dem obligatorischen Pokal noch große Mengen an Bier für die Siegesfeier erwarten. Denn die Frau des neuen Champions wird traditionell in Gerstensaft aufgewogen. Motto: Erst laufen, dann laufen lassen – und zwar die Kehle hinunter. (Karsten-Thilo Raab, 22.6.2016)

Infos: www.sonkajarvi.fi und unter www.eukonkanto.fi

Foto: Pekka Honkakosk