Frankreichs Präsident François Hollande, hier am Samstag mit jungen Fans, wähnt sich im Vorwahlmodus. Der laut Umfragen bisher unbeliebteste Staatschef sucht im Jänner einen parteiinternen Vorentscheid.

Foto: APA / AFP / Pool / Thibault Camus

Der Überraschungscoup ist François Hollande gelungen. Am Samstag hat seine Sozialistische Partei (PS) mit einstimmigem Direktionsentscheid die Abhaltung von Vorwahlen vor der Präsidentschaftswahl des Jahres 2017 beschlossen. Das Bemerkenswerte: Der Staatschef will selbst daran teilnehmen. Dies ist ein Novum für Frankreich, wo der Präsident sonst über eine solche Machtfülle und Aura verfügt, dass er als "natürlicher" Kandidat für seine Wiederwahl gilt.

Nun wird Hollande vom Elysée-Palast in die Niederungen einer parteiinternen Debatte steigen müssen. In den Umfragen ist er so tief gesunken, dass er gar nicht anders kann: Besonders auf der Linken verlangen immer mehr Stimmen eine Alternative zu ihm; um sie zum Verstummen zu bringen, muss der Staatschef nun eben in die Vorwahl einwilligen.

Offiziell hat der "Nationale Rat" der PS die Entscheidung gefällt. In Wahrheit hatte sie Parteichef Jean-Christophe Cambadélis aber tagelang und bis in die Details mit Hollande abgesprochen. Pariser Medien zogen am Sonntag den Hut vor dem "hübschen Coup" und sprechen bereits von der "primaire du président" (Primärwahl des Präsidenten). Der Urnengang soll an zwei Wochenenden im Jänner stattfinden und steht allen Kandidaten der "Regierungslinken" offen. Gemeint sind Sozialisten, Radikallinke (PRG) und die grüne Splitterpartei UDE, die alle in der Regierung von Premierminister Manuel Valls vertreten sind.

Der Haken an der Geschichte ist, dass die Kommunisten, die Linkspartei und die Grünen (EELV) nicht teilnehmen werden. Sie weisen den sozialliberalen Regierungskurs und besonders die umkämpfte Arbeitsreform seit Monaten vehement zurück.

Forderung nach Verzicht

Grünen-Vertreter Yannick Jadot sagte deshalb noch am Wochenende: "Hollande muss der Linken einen Dienst erweisen und nicht zu seiner Wiederwahl antreten."

Hollande mag der unpopulärste Staatspräsident der 1958 gegründeten Fünften Republik sein. Er hofft aber, dass sich die Wirtschaftslage langsam bessert und dass er schließlich doch der unumgängliche Sammelkandidat der Linken sein wird.

Jedenfalls denkt er nicht daran, aufzugeben. Im Gegenteil sieht er in einer Vorwahl auch einen Vorteil: So sichert er sich die Rückendeckung seiner eigenen Partei und kann seinen zahlreichen Gegenspielern links außen vorwerfen, sie bewirkten ein Szenario wie am berühmt-berüchtigten "21. April 2002". Damals waren die zu vielen Linkskandidaten im ersten Wahlgang ausgeschieden, sodass die Rechtskandidaten Jacques Chirac und Jean-Marie Le Pen die Stichwahl unter sich ausmachten.

Ausschuss für Abweichler

Hollande hat zwei weitere Gründe, sich auf das Spiel einzulassen. Zum einen glaubt er, so die dissidenten "Frondeure" in der eigenen Partei bei der Stange zu halten, wenn die Nationalversammlung im Juli über die Arbeitsrechtsreform abstimmen wird. Er hat durch Valls bereits ankündigen lassen, dass Abweichler aus der Partei ausgeschlossen würden, wenn sie die Regierung zu Fall brächten. In dem Fall können sie dann nicht mehr an der Primärwahl teilnehmen. Ein weiteres Argument sieht er darin, dass sie eine "wilde" Kandidatur des Umfragestars der Linken, Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, verhindern würde.

Ob die Rechnung aufgeht, ist offen. Die Spaltung des linken Lagers geht so tief, dass der Präsident auf keinen Fall mit allen linken Stimmen rechnen kann. Der Sozialist Gérard Filoche, Kämpfer gegen die Arbeitsreform, sagte auf die Frage, ob er Hollande unterstützen würde, falls dieser die Vorwahl gewinnt, sehr ausweichend: "Er wird nicht gewinnen." (Stefan Brändle aus Paris, 19.6.2016)