Tageszeitungen werden in der stillgelegten Tankstelle zu "Angstdünger".

Foto: Kunstuni Linz

Linz – Es sind nur flüchtige Blicke, die man dieser Durchzugsstraße schenkt. Die Linzer Dametzstraße ist kein Ort, der einlädt, um länger als eine Ampelphase innezuhalten. Nicht einmal mehr für einen Tankstopp, denn die Füllstation für durstige Autos und Fahrer hat längst zugesperrt.

Doch genau dort, wo sich einst Benzinbrüder den Zapfhahn reichten, wird die Linzer Kunst-Uni ab kommender Woche für ungewohnte Aufmerksamkeit sorgen. Die Studienrichtung raum& designstrategien greift mit der Ausstellung (Not) Welcome in den heute vom Offenen Kulturhaus (OK) angemieteten Räumen der ehemaligen Tankstelle das heikle Flüchtlingsthema auf. "Es wird in unserer Gesellschaft stark polarisiert, in 'neonazirechts' oder 'gutmenschlinks' eingeordnet. Wir suchen bewusst nicht die Polarisierung – und auch keine passablen Lösungen und Antworten", erläutert Uni-Professor Ton Matton im Standard-Gespräch.

Mahnmal aus Beton

Am Vorplatz der Tankstelle sticht eine Betonfläche mit Fußabdrücken in das Besucherauge. Exakt 15 Quadratmeter Fläche und 71 Abdrücke. Es ist ein eindrucksvolles Mahnmal für jene 71 Flüchtlinge, die im August des Vorjahres in einem ungarischen Kühllastwagen qualvoll erstickten, zusammengepfercht auf einer Ladefläche von 15 Quadratmetern. Es ist einer dieser Momente, in denen man plötzlich innehält – an der sonst so unbeachteten Linzer Durchzugsstraße.

Super Refugee World ist ein interaktives Videospiel im Stil von Super Mario World. Simuliert wird eine Flucht von Syrien nach Europa. Beim Standard-Test war in der Türkei Endstation. Doch zumindest die virtuelle Flucht bietet immer eine zweite Chance.

Die Ausstellung mitsamt Atlas bildet aber nur den Abschluss eines ganzjährigen Uni-Projekts unter dem Titel (Not) Welcome. So wurde unter anderem von Studenten zusammen mit Asylwerbern das SOS-Menschenrechte-Flüchtlingsheim saniert und gemeinsam mit Flüchtlingen in der "Hot Welcome Mensa" aufgekocht.

Das Erforschen der Willkommenskultur brachte die Studierenden aber auch an ihre persönlichen Grenzen. "Am Anfang war alles sehr positiv. Doch irgendwann kam das Kippen in eine fast depressive Phase. Eine unglaubliche Hilflosigkeit. Jeder wollte die Krise meistern, konnte aber nur einen kleinen Beitrag leisten", schildert Universitätsassistentin Corina Forthuber im Standard-Gespräch.

Dazu sei gekommen, dass "nicht alles immer funktioniert hat". Forthuber: "Die Studierenden sind nicht nur auf offene Arme gestoßen. Es sind Freund- oder Patenschaften entstanden. Aber es gab auch Desinteresse vonseiten mancher Flüchtlinge."

Die unterschiedlichen Erfahrungen waren auch die Triebfeder für eine weitere spannende Bespielung des öffentlichen Raums. Ander Tankstelle rumort es wieder – weil die "Angstdüngerpresse" läuft. Europa ist zu einer Schrebergartenunion mutiert. Angst lässt die Gartenhecken und Zäune in die Höhe schießen. Dazu braucht es den passenden Dünger. Den produziert die Kunst-Uni aus Tageszeitungen. (Markus Rohrhofer, 19.6.2016)