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Das AKW-Temelin in Tschechien: Österreichs Behörden müssen für den Ernstfall gerüstet sein.

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Wien – Terror, Kriege, Naturkatastrophen, Boykotte, AKW-Unfälle: Es ist eine Liste an Grausamkeiten, an die man nicht denken möchte. Doch im Fall der Fälle will man gewappnet sein. Auch Österreich. Neben Landesverteidigung, Staatsschutz, Katastrophenhilfe und anderen Bereichen gibt es auch Vorkehrungen für den Aufrechterhalt der Wirtschaft. Bricht der Handel infolge von Krisen zusammen oder gehen gewisse Produkte aus, kann die Regierung weitreichende Maßnahmen verordnen, um ein Mindestmaß an Versorgung aufrechtzuerhalten.

Entsprechende Vorkehrungen werden gerade – wieder einmal – getroffen. Völlig routinemäßig. Will der Staat in Krisenzeiten die Wirtschaft unter Kuratel stellen, sind die Kompetenzgrundlagen dünn. Die Verfassung sieht eine allgemeine Zuständigkeit des Bundes für die Wirtschaftslenkung in Artikel 10 Abs. 1 nur "aus Anlass eines Krieges oder im Gefolge eines solchen ... insbesondere auch hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung mit Bedarfsgegenständen" vor.

Verfassungsbestimmung

In Friedenszeiten fehlt somit eine Grundlage für Eingriffe in die Marktwirtschaft, die über einzelne Zuständigkeiten wie beispielsweise Regulierung der Energie- oder Wasserwirtschaft hinausgeht. Der Staat hilft sich daher mit einem Provisorium über die Runden, wobei dieses mangels Kompetenz jeweils mit Verfassungsbestimmung zu versehen ist.

Der Entwurf für das Versorgungssicherheitsgesetz, befristet auf zehn Jahre, ist diese Woche in Begutachtung gegangen. Es tritt an die Stelle des mit Ende 2016 auslaufenden Pendants. Die Befristung hat gute Gründe. Wie Christoph Altmann, Assistent am Juridicum der Uni Wien erklärt, ist die zeitliche Eingrenzung eine Art politische Vorsichtsmaßnahme. Immerhin berief sich Engelbert Dollfuß ab 1933 nach der Aushebelung des Parlaments auf das Kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz aus dem Jahr 1917.

Ermächtigung für jeweils fünf Jahre

Wie groß die Skepsis bezüglich zu weitreichender Krisen-Kompetenzen der Regierung ist, zeigt, dass die Ermächtigungen ab 1946 nur für ein Jahr galten. Zwischendurch behalf man sich mit fünfjährigen Perioden, nun will sich Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner für zehn Jahre eine Grundlage für Notstandsmaßnahmen schaffen. Allerdings ist im Unterschied zu vergangenen Zeiten das Parlament mit an Bord, bedürfen die jeweiligen Eingriffe doch der Zustimmung des Hauptausschusses des Parlaments. Bei Gefahr im Verzug kann diese auch nachträglich eingeholt werden.

In den Erläuterungen zum Gesetz werden Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Vorkehrungen aufgegriffen. Auch wenn wegen der EU-Mitgliedschaft "vordergründig Gedanken einer Nichtverlängerung aufkommen könnten", hält das Ministerium fest, dass Versorgungsschwierigkeiten nie ausgeschlossen werden können. Krisen treten "unerwartet und rasch" ein, ist das Ressort überzeugt und nennt die Beispiele Tschernobyl, Irak-Krieg und Stromkrise.

Warenströme dirigieren

Doch um welche Maßnahmen geht es überhaupt, die die Regierung in Krisen ergreifen kann? Das Gesetz gibt hier einigen Spielraum. Zielsetzung ist u. a. die Erzeugung und Verteilung von Waren aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Das dient auch dazu, die militärische Landesverteidigung ausreichend zu versorgen. Damit kann die Regierung praktisch alle wesentlichen Teile der Wirtschaft – von Produktion über Lagerung bis hin zu Transport und Verteilung – dirigieren. Und gegebenenfalls auch verstaatlichen. Das ist auch der Fall, wenn nur Teile des Bundesgebiets von einer Krise betroffen sind. Der Wirtschaftsminister kann Organwalter beauftragen, die getroffenen Maßnahmen umzusetzen.

Ganz schön viele Kompetenzen für den Ernstfall, auch wenn er heute schwer vorstellbar ist. Schaden könnten die Vorkehrungen jedenfalls nicht, meint Jurist Altmann zu den Ermächtigungen. (Andreas Schnauder, 18.6.2016)