Wien – Im ersten Halbjahr ist die Zahl der Firmeninsolvenzen in Österreich um 9,6 Prozent geklettert – womit sich heuer bis Juni der negative Trend vom zweiten Halbjahr 2015 fortgesetzt hat. Als "dramatisch" bezeichnete der Alpenländische Kreditorenverband (AKV) am Freitag den Anstieg mangels Masse abgewiesener Insolvenzen von 15,2 Prozent bei Firmen und 6,9 Prozent bei Privaten.

Rückgang bei Privatinsolvenzen

Die Summe der Passiva der heuer eröffneten Firmeninsolvenzen legte auf rund 2,75 Milliarden Euro zu – mehr als doppelt so viel wie im ersten Halbjahr 2015 und fast so viel wie 2015 insgesamt (2,9 Milliarden Euro) . Als "erfreulich" wertet der AKV den Rückgang der durch Zahlungsunfähigkeit gefährdeten Jobs auf 7.302 (-26,4 Prozent). Bei den Privatinsolvenzen insgesamt wurde ein Rückgang von 3,5 Prozent registriert, wobei die Zahl der eröffneten Verfahren um 4,9 Prozent abnahm. Im Schnitt betrug die Privatinsolvenz-Verschuldung 107.400 Euro. Pro Woche werden bundesweit 186 Privatpersonen und 109 Firmen insolvent.

Die erwartete Ankurbelung von real verfügbaren Einkommen, Konsum und Konjunktur durch die Steuerreform sei im ersten Halbjahr noch nicht sichtbar geworden, so der AKV zur Hochrechnung zur Insolvenzstatistik. Vielmehr habe sich – trotz 2015 insgesamt rückläufiger Insolvenzen – der ansteigende Trend vom zweiten Semester 2015 fortgesetzt. Insgesamt wuchs die Zahl der Insolvenzen heuer im ersten Halbjahr um 0,9 Prozent auf 7.675, bei den Firmen-Insolvenzen stieg sie um 9,6 Prozent auf 2.830.

Grafik: apa

Bei den Insolvenzabweisungen mangels Masse gab es heuer erstmalig seit vielen Jahren wieder einen Anstieg, aus Sicht des AKV sogar einen "dramatischen". Die Abweisungen stiegen bei den Firmeninsolvenzen um 15,2 Prozent auf 1.226 und bei Privatkonkursen um 6,9 Prozent auf 623. Es zeige sich, dass die öffentliche Hand wieder vermehrt Insolvenzanträge stelle, um offene Abgaben hereinzubringen – das Vorhaben scheitere aber oft an der Vermögenslosigkeit zahlreicher (Ex-)Unternehmer.

Dabei sei die Zahl der Abweisungsbeschlüsse mangels Masse in den Vorjahren sukzessive zurückgegangen, nämlich von 3.157 im Jahr 2009 auf 2.133 im vergangenen Jahr, erinnert der AKV. Insofern sei es – wie mit dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz (IRÄG) von 2010 beabsichtigt – gelungen, die Insolvenzabweisungen mangels Masse zurückzudrängen.

Anstieg in sechs Bundesländern

Die größte Divergenz zwischen dem Anstieg der Firmeninsolvenzen und der Abnahme der Privatinsolvenzen gab es heuer in Wien. Dort legten die gesamten Firmeninsolvenzen (Eröffnungen und Abweisungen) bisher um 11,8 Prozent zu (die eröffneten Firmeninsolvenzen sogar um 19,4 Prozent) während es um 11,7 Prozent weniger Privatinsolvenzen gab.

In sechs Bundesländern ist die Zahl der Firmeninsolvenzen heuer bis Juni gestiegen – teils ganz erheblich, nämlich um bis zu 35 Prozent – im einzelnen in Wien von 838 auf 937, in OÖ von 264 auf 340, in Salzburg von 167 auf 218, in Tirol von 133 auf 170, im Burgenland von 84 auf 103 und in Vorarlberg von 60 auf 81. Rückläufig waren die Firmeninsolvenzen in drei Bundesländern: In NÖ sank die Zahl von 427 auf 401, in der Steiermark von 421 auf 400 und in Kärnten von 188 auf 180.

Heuer gab es nur zwei Insolvenzen mit mehr als 100 Dienstnehmern – die oststeirische Borckenstein GmbH. mit 286 Dienstnehmern und die Wiener RDI Hotelplan Facility Servicemanagement & Bau GmbH. mit 102 Dienstnehmern.

Sonderfälle

Die Gesamtpassiva der eröffneten Unternehmensinsolvenzen kletterten deshalb so stark von 1,200 auf 2,751 Mrd. Euro im Jahresabstand, da Sonderfälle zum Tragen kamen, nämlich die in Wien anhängigen ukrainebezogenen Verfahren Activ Solar GmbH. (mit allein 690 Mio. Euro Passiva) und SLAV Handel, Vertretung und Beteiligung AG (mit 126 Mio. Euro). Bei der zweitgrößten Insolvenz CBA Spielapparate- und Restaurantbetriebs GmbH., die 12 Kartencasinos in Österreich betrieb, hat der AKV die angemeldeten und bescheidmäßig festgesetzten öffentlichen Abgaben in voller Höhe und somit 355,6 Mio. Euro Verbindlichkeiten in Ansatz gebracht, obwohl einzelne Bescheide schuldnerseits noch bekämpft werden.

Baubranche besonders betroffen

Die meisten Insolvenzverfahren gab es im Halbjahr in der Baubranche (512), gefolgt vom Handel (466) und von der Gastronomie (371). Die Hälfte der Firmeninsolvenzen betraf 1.415 nicht protokollierte Einzelfirmen, gefolgt von 1.031 GmbH-Insolvenzen. Anders als in den beiden Jahren davor nahm die Akzeptanz der Sanierungsverfahren wieder zu; vor allem die Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung stiegen an, nämlich um 21,9 Prozent auf 167.

Das Gros der Privatinsolvenz-Verfahren betraf eröffnete Schuldenregulierungsverfahren mit einem Rückgang von 4,9 Prozent auf 4.222; die Gesamtzahl der Privatinsolvenzen (inkl. abgewiesene) verringerte sich um 3,5 Prozent auf 4.845. Für die bundesweite Abnahme war in erster Linie Wien verantwortlich: 38,3 Prozent der Privatinsolvenzen waren hier anhängig. Die Zahl der gesamten Privatinsolvenzen sank in Wien um 11,7 Prozent, jene der eröffneten Verfahren sogar um 12,8 Prozent. Das stärkste Plus bei Privatinsolvenzen gab es in OÖ (+12,6 Prozent), ebenfalls hohe Anstiege in Burgenland und Steiermark.

Durch die Abnahme der Zahl der Privatinsolvenzen sank auch die Summe der Verbindlichkeiten der eröffneten Verfahren von 505,9 auf 453,5 Mio. Euro. Die Durchschnittsverschuldung sei von 113.900 auf 107.400 Euro pro Schuldner zurückgegangen, so der AKV. Die dennoch hohe Durchschnittsverschuldung sei auf Privatkonkurse ehemaliger Unternehmer zurückzuführen, in denen im Regelfall mehrere hunderttausend Euro an Verbindlichkeiten angemeldet würden. Bei Männern lag die Verschuldung im Schnitt bei 131.500 Euro, bei Frauen nur bei 68.300 Euro; auch entfielen circa 62 Prozent der Verfahren auf Männer. (APA, 17.6.2016)