Gartengestalter, Künstler und Autor Fabian Faltin wohnt ein Drittel des Jahres in der Alten Schule von Pixendorf in NÖ. Das Gärtnern wurde für ihn auch zu einem Ausgangspunkt für die künstlerische Betätigung.

"Die Alte Schule hier in Pixendorf haben meine Großeltern gekauft. Meine Großmutter hatte vom Krieg eine Art Hungertrauma. Sie dachte, sie könnte hier zur Not immer Erdäpfel anbauen. Das hat sie aber nie gemacht. Die Dorfschule war seit dem 18. Jahrhundert in diesem Haus untergebracht. Es war eine Klause, in der ein Eremit und Lehrer lebte. Drüben, wo wir jetzt den Kulturschuppen Pixendorf betreiben, war der Stall. Bis heute trifft man im Dorf eine ganze Generation, die noch hier zur Schule gegangen ist. In den 60er-Jahren hat die Gemeinde die Schule aufgelöst und verkauft, eigentlich ein Fehler, weil es ein toller öffentlicher Ort wäre. Jetzt teile ich mir das Haus mit meiner Mutter.

Foto: Lisi Specht

Ich erinnere mich noch, wie ich mit meiner Oma Tagetes und Clematis gepflanzt habe. Als meine Großeltern gestorben sind, habe ich begonnen, intensiv zu gärtnern. Von März bis November blüht immer was in den Staudenbeeten. Damit der Garten so ungezwungen aussieht, braucht er viel Aufmerksamkeit. Wenn man länger hier ist, wird man davon richtig aufgesogen. Ich muss immer wieder ausbrechen, um nicht abzustumpfen.

Auch die Möbel des Hauses sind sehr geschichtsträchtig. Sie kommen aus allen Perioden der Familiengeschichte. Es sind viele dabei, die meine Großeltern in Wien ausgemustert haben. Diese Tradition setzt sich bis heute fort. Es gibt Thonet-Möbel und welche vom Sozialen Wohnen. Von uns, der letzten Generation, gibt's nur Ikea. Obwohl manches unkomfortabel ist, macht auch das den Charme des Hauses aus.

Foto: Lisi Specht

Unser Klavier mag ich sehr gern. Es gehörte meinem Urgroßvater und hat beide Weltkriege überlebt. Es klingt nie ganz richtig, aber auch nie ganz falsch. Damit entwickle ich meine Performances – die übrigens auch sehr vom Gärtnern inspiriert sind. Es ist eine sehr ganzheitliche Tätigkeit – gut, um sich dabei dramaturgische Abläufe zu überlegen.

Als die Großeltern starben, hatte das Haus was von einem Museum. Wie im Garten ist es nicht leicht, die Gratwanderung zu meistern, Altes zu bewahren und Neues zuzulassen. Es gibt keinen Endzustand, ein Garten ist nie fertig. Das ist wie eine Meditation. Beim Haus sinkt eine Ecke langsam ab. Wir hoffen, dass es nicht schlimmer wird und das Haus den Hang hinunterrutscht.

Beim Gärtnern habe ich mir viel selbst beigebracht. Wir haben hier eine riesige Bibliothek mit Gartenliteratur. Ich hab nachgedacht, welches Buch mich am meisten beeinflusst hat. Es ist wohl auch ein Gartenbuch: Neues Gartendesign mit Stauden und Gräsern von Piet Oudolf. Das Buch ist meine Bibel und hat eine große gestalterische Energie in mir freigesetzt – auch übers Gärtnern hinaus.

Fotos: Lisi Specht

Ich hab auch meine Romane hier geschrieben. Das hat den Bezug zum Haus und zur Gegend sehr gestärkt. Das Tullnerfeld ist nicht romantisches Land, sondern eine Art technisierte Landschaft. Seit der Bahnhof Tullnerfeld eröffnet ist, ist hier eine Goldgräberstimmung ausgebrochen. Der Wohlstand kommt schnell, aber er ist nicht nachhaltig. Äcker werden umgewidmet, Böden versiegelt. Kapitalgesellschaften und das Land finanzieren einen Wohnpark. Dabei gibt es im Dorf viele Leerstände. Es wird kaum drüber geredet, ob man sie nutzen könnte. Langfristige Entscheidungen werden lieber ruck, zuck und ohne Bürgerbeteiligung getroffen.

Das Feld hinterm Garten gehört auch noch dazu. Der Architekt Frank Lloyd Wright sagte: "You have to own the view." Das haben meine Großeltern zum Glück beherzigt, sonst würde hier auch schon ein Reihenhaus stehen." (20.6.2016)