Anleger erlitten erhebliche Verluste mit dem Kauf von AvW-Zertifikaten. Gerichte erkannten nach fünf Jahre dauernden Musterprozessen zur Klärung der Rechtsfragen, dass ihnen daraus ein Anspruch gegen die gesetzliche Entschädigungseinrichtung erwächst. Da es sich um einen Großschaden handelt und auch die Mittel der Entschädigungseinrichtung begrenzt sind, beschloss der Ministerrat in der vergangenen Woche, die Finanzierung sicherzustellen.

Diverse Reaktionen zeigten, dass die Empörungsbereitschaft bei vielen wieder einmal ihrem Informationsstand vorauseilte. Dennoch ist die grundsätzliche Frage berechtigt, weshalb am Ende des Tages der Steuerzahler einspringen muss. Die einfache, wenn auch unbefriedigende Antwort: Weil es Menschen gibt, die einen gesetzlichen Anspruch haben und niemand anderer diesen erfüllen kann. Weshalb?

Ein schwarzes Schaf ...

Primär verantwortlich ist in diesem Fall die Anlegerentschädigung. Deren Mittel werden von ihren Gesellschaftern, den Wertpapierfirmen aufgebracht. Diese leisten somit Beiträge für Schäden, für deren Verursachung sie nichts können, einfach weil es in ihren Reihen ein schwarzes Schaf gegeben hat. Wir haben es hier mit einer Form der Sippenhaftung zu tun, weshalb es recht und billig erscheint, dass die Entschädigungsverpflichtung dort ihre Grenze hat, wo sie die eigene Existenz gefährdet.

Eine mögliche Lösung wäre nun, den Anlegern mitzuteilen, dass sich ein Risiko verwirklicht hat, für das es keine Versicherung gibt. So einfach ist die Sache aber nicht. Existiert doch, basierend auf einer Richtlinie, ein gesetzlicher Entschädigungsanspruch bis zwanzigtausend Euro. Es handelt sich hier also um keinen Bonzenschutz, sondern um den Schutz von Kleinanlegern. Um einen Schutz, der ihnen in einem Rechtsstreit wegen mangelnder Gewährung eines richtlinienkonformen Anspruchs wohl zugesprochen würde.

Die ahnungslos Empörten, die heute schreien, dass der Finanzminister in die Tasche greift, wären wohl die Ersten, die schrien, würden den Anlegern ihre zwanzigtausend vorenthalten.

Zu lösen ist das Dilemma nicht durch punktuelles Vorenthalten verbriefter Ansprüche. Zu lösen ist es durch ein generelles Abgehen von der allenthalben grassierenden Vollkaskomentalität. Durch das Anerkennen, dass es auch beim modernen Menschen Risiken gibt, die nicht versichert sind. Durch Akzeptieren, dass man Pech haben kann, für das die Allgemeinheit nicht aufkommt.

... und ein Pech

Wobei anzumerken ist, dass beim Anlagebetrug dem Pech durch fachliche Unwissenheit und Renditegier gewaltig Vorschub geleistet wird. Wer ist sonst schon bereit, Haus und Hof in einem Gebiet zu einzusetzen, von dem er keine Ahnung hat. Gerade dies spricht dafür, Schäden daraus nicht zu solidarisieren. (Johannes Gotsmy, 16.6.2016)