Beobachten, widerspiegeln, aufnehmen: Souveränes Verhalten lässt sich lernen und ist Basis eines guten Arbeitsklimas.

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Keine Frage, das Führungsverhalten ist die maßgebliche Quelle, aus der Arbeitslust oder Arbeitsfrust sprudeln. Aber nicht die alleinige. Haben doch Psychologie und Führungsforschung längst zweifelsfrei belegt, dass es da noch einen anderen Quellgrund gibt, der auch sein Wässerchen dazu beisteuert: die Art und Weise des kollegialen Umgangs miteinander. Erst wenn beides in guter Mischung ineinanderfließt, kann sich ein Arbeitsklima ausbilden, das Arbeitsplätze nicht unbedingt zu einem Luftkurort macht, das freiere Atmen dennoch aber sehr fördert.

Stinkbombem am Arbeitsplatz

Womit die Wissenschaft wieder einmal alte Praxiserfahrungen als gültig ausweist: Das Arbeitsklima ist erstens immer das Produkt eines wechselseitigen Aufeinanderzugehens und Bemühens von oben und unten. Beides muss zweitens als tagtäglich wahrzunehmender persönlicher Pflegeauftrag verstanden werden. Und das, was schlussendlich dabei herauskommt, hängt drittens davon ab, inwieweit die Erwartungen an sich selbst höher eingestuft werden als jene an die anderen.

Die Selbstverständlichkeit, in Sachen "dicke Luft am Arbeitsplatz" mit dem anklagend hervorschießenden Zeigefinger stets flugs nach oben und zur Seite zu weisen, blendet nicht nur diese tatsächlichen Zusammenhänge aus, sie ignoriert auch die berühmten vier Finger, die auf den eigenen Verhaltensbeitrag zurückverweisen. Und der kann, über das tagesaktuelle persönliche Gestimmt- und Draufsein und Sich-Geben, eine ganz beachtliche klimatische Stinkbombe am Arbeitsplatz sein und allen anderen ganz gehörig den Tag vermiesen.

Beobachten, wie man wirkt

Das zu erkennen und anzuerkennen ist keine einfache Übung. Die wohl hilfreichste Zutat dabei ist, einmal eine Zeitlang die menschliche Umwelt am Arbeitsplatz zu beobachten und sich dann zu fragen: Wie wirken die anderen auf mich, wenn sie impulsgesteuert und selbstgerecht ihren Launen freien Lauf lassen? Wenn sie ebenso unbeherrscht wie unüberlegt zu allem ihren Senf dazugeben? Wenn sie je nach Tagesgestimmtheit heute hüh und morgen hott sagen? Und all das ohne situatives Gespür.

Das kann eine sehr ernüchternde Übung sein. Und manchmal zu einem raschen Klick im Kopf führen: Will ich wirklich auch so wirken? So wenig souverän, so unbedacht, so egoistisch, so nervend, so wetterwendisch, so unberechenbar? Im Spiegel des Sich-Gebens, des Sich-Präsentierens der anderen schlaglichtartig das eigene Verhalten zu erkennen, das kann wahre Wunder wirken. Zu realisieren, wie ungeheuerlich das Erkannte mit dem Wunsch kollidiert, am Arbeitsplatz als Persönlichkeit wahrgenommen, geachtet und respektiert zu werden, das kann wachrütteln.

Impulskontrolle üben

Und den Übergang zu einem Verhalten anstoßen, das nicht mehr von der aufwallenden Impulsivität des Augenblicks angestoßen wird, sondern in dem Bedachtsamkeit und Achtsamkeit die Zunge, die Mimik und die Gestik lenken. Der öffentliche Sprachgebrauch nennt ein solches Verhalten nicht von ungefähr anerkennend und bewundernd ein souveränes Verhalten. Und spricht umgekehrt tadelnd von einem wenig souveränen Verhalten, lässt sich jemand von der Situation mit- und zu wenig Bedachtem hinreißen.

Sich aufzumachen und diesen souveräne(re)n Verhaltensweg einzuschlagen hält "Belohnungen" bereit. Eine nicht zu unterschätzende ist, weniger Aggressivität auf sich zu lenken und sich weniger angreifbar zu machen. Was im Umkehrschluss bedeutet, leichter Gehör zu finden, an Einfluss zu gewinnen, wirkungsvoller agieren zu können. Je in sich ruhender, selbstbeherrschter und besonnener jemand auftritt, desto geringer werden dessen Reibungskräfte und Reibungsverluste im sozialen Raum. Rät doch der erfahrene Schweizer Outplacement-Berater Riet Grass nicht von ungefähr: "Machen Sie sich bewusst, was Sie senden, denn das empfangen Sie."

Beziehungen stärken Wohlbefinden

Und das auch im Sinn der "Belohnungen". Sich mit weniger Reibungskräften und Reibungsverlusten herumschlagen zu müssen hat merkliche Auswirkungen auf das Wohlbefinden am Arbeitsplatz im Sinne der auf Aron Antonovsky zurückgehenden Salutogenese. Sie beschreibt Faktoren und dynamische Wechselwirkungen, die zur Entstehung und Erhaltung von Gesundheit beitragen. Antonovsky war überzeugt: Zwischenmenschliche Einflussfaktoren wirken direkt auf die Gesundheit, indem sie entweder die psychosozialen Druckverhältnisse verstärken oder abschwächen. (Hartmut Volk, 18.6.2016)