La vie en rose: Angeschrieben mit 360 Euro, mauserte sich der Kurzmantel aus Boucléstoff auf stattliche 4.000 Euro.

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Chanel Black Jumbo Caviar Kelly Classic Bag heißt sie, 3.750 Euro wiegt sie.

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Knöpfe mit dem Chanel-Logo wechselten zu Dutzenden den Besitzer.

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Die Halskette mit Imitatperlen erzielte 1.500 Euro.

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Die Kamelien-Ohrclips gab's schon um 375 Euro.

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Gabrielle "Coco" Chanel setzte Maßstäbe in der Modewelt.

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Wien – "So stirbt man also." Das sollen die letzten Worte der 87-jährigen Coco Chanel gewesen sein. Die kleine große französische Modeschöpferin mit dem kurzen Haar lebt – jedenfalls in ihrem Vermächtnis. Die Moderebellin, die das Korsett abschaffte, Röcke auf für die Maßstäbe der 1930er Jahre eine obszöne Länge kürzte und die Frauen in Hosen steckte. Bis heute ist Coco Chanel ein magischer Name, ein Modeimperium, eine Weltmarke und Inbegriff von tragbarem Luxus.

Einmal sich selbst ein echtes Chanel überwerfen – für viele der Stoff zum Träumen. Das Wiener Dorotheum machte es diese Woche möglich. 161 Chanels standen zur Versteigerung. Da wartete beispielsweise das Ensemble aus Rock, Blazer und Bustier zum Ausrufungspreis von 300 Euro, ein Hosenanzug um 150 Euro, (ungetragene) Schuhe ab 120 Euro und diverse Accessoires. "Chanel Vintage" – die Chance für die kleine Geldbörse.

Mysteriöse Dame aus Wien

Möglich gemacht hat die Auktion erst die Sammel-Leidenschaft einer Wiener Dame. Dreißig Jahre trug sie Chanel-Mode zusammen, allesamt aus der Ära von Kreativdirektor Karl Lagerfeld. Die Identität der Dame wollen die Erben nicht preisgeben, wohl aber den Nachlass unters Volk bringen. "Nie zuvor hat es eine eigene Auktion für eine Weltmarke im Dorotheum Wien gegeben", so die Sprecherin des ältesten Auktionshauses im deutschsprachigen Raum zum STANDARD.

Der Ruf bleibt nicht ungehört und die Interessierten kommen in Scharen. Fast ausschließlich Frauen. Mit den Worten von Coco Chanel: "Ein Mann kann anziehen, was er will – er bleibt doch nur ein Accessoire der Frau." Tage vor der Auktion sind die Exponate in einem auffallend kleinen Raum zu besichtigen. Berühren verboten, es sei denn vom behandschuhten Personal. Minuten vor der Auktion wird Sekt kredenzt. Und die Damen greifen zu. Der Saal ist voll. Aus so mancher Frau scheint eine kleine Coco zu zwinkern, der Aufmachung nach zu schließen. Eine Frage des Geschmacks. Und des Mottos der Ausstellung: "Nenn mich Coco".

"Ich hab’s in der Zeitung gelesen, mein Mann hat’s mir gezeigt", meint eine Frau. Eine andere: "Ich will gar nichts kaufen, ich bin aus Neugier hier." Für etliche ist es überhaupt das erste Mal im Dorotheum. Eine ältere, doch sichtlich rüstige Frau sagt – nicht ganz ohne stolz und schmunzelnd: "Ich bin Chanels Jahrgang. Mich interessiert Mode." Chanel starb im Jahr 1971.

Wettbieten mit Stil

Und dann schlagen sie zu. Die Spannung ist deutlich spürbar, doch die Damen sind sichtlich bemüht, Contenance zu bewahren. Sich despektierlich um ein Stück zu matchen, ist offenbar tabu. So verläuft die Auktion also auf weiten Teilen unspektakulär. Bieterwettkämpfe sind nicht das Ding an diesem Tag. Bis auf ganz wenige Ausnahmen. Handtaschen und Gürtel ziehen am besten und zerren offenbar am stärksten an den Nerven. Ärger in Form von lautem Raunen und Stoßgelächter als Ausdruck purer Verzweiflung, wenn über das eine oder andere Stück über schriftliche Ansteigerungen der Ausrufungspreis gleich um mehrere hundert Euro hochgepeitscht wird. Zumindest Buhrufe bleiben aus, soweit hat man sich dann doch unter Kontrolle. So geschehen etwa bei einem Kurzmantel aus rosafarbenem Boucléstoff: Ausrufungspreis: 300 Euro, Ansteigerung auf 2200 Euro und Zuschlag bei 4000 Euro.

Auch Schmuck und andere Accessoires erweisen sich als Renner, Blazer gehen es ebenfalls nicht schlecht. Röcke und vor allem Hosen haben das Nachsehen. Die müssten sitzen und vorher probieren geht nicht. "Ich hab‘ ein Tuch gekauft, da steht wenigstens groß Chanel drauf", so eine der erfolgreichen Bieterinnen.

Ein Herz für Knöpfe

Die Investition mache also Sinn. Und auf den Champs Elysées gäb’s das nicht zu dem Preis. Ob es in den Luxusgeschäften an der Prachtstraße in Paris auch Knöpfe mit dem Chanel-Logo der zwei ineinandergeschlungen Cs zu kaufen gibt, ist nicht bekannt. Im Dorotheum jedenfalls gibt es ein wahres Griss darum. Die ersten zwölf Stück gehen gleich um 500 Euro weg. Warme Semmeln. Wozu Knöpfe, welches Kleidungsstück werden sie künftig vielleicht zieren, könnte der gesunde oder naive Menschenverstand fragen, um den Preis wäre das eine oder andere Kostüm locker zu haben gewesen – doch das geht stattdessen unverkauft zurück.

82 Prozent der angebotenen Exponate im Wert von 91.166 Euro wechselten an diesem Tag den Besitzer. Für Dorotheum-Verhältnisse, wo Kunstauktionen mitunter Millionen bringen, ein bescheidener Betrag. Übriggebliebenes aus dem Chanel-Kleiderschrank geht in den Nachverkauf, und dieser laufe sehr gut, heißt es seitens des Dorotheum. Und was bleibt nach dieser Auktion? Einige leere Sektgläser, ausgediente Bietschilder, der Saal menschenleer, das Publikum weggepustet. Oder, um ein mal mehr Madame Chanel zu bemühen: "Mode ist vergänglich. Stil niemals." (Sigrid Schamall, 16.6.2016)