Josef Moser: 475-seitiges Vermächtnis zum Abschied.

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Wien – Zum Abschied darf etwas Eigenlob nicht fehlen. 75.000-mal habe es der Rechnungshof in Pressemeldungen geschafft, berichtet der Chef, 2.646 parlamentarische Anfragen hätten auf die Erkenntnisse des Kontrollinstitution Bezug genommen. Kaum eine Reformdebatte in Österreich, in der diverse Prüfergebnisse keine Rolle gespielt hätten, sagt der scheidende Präsident Josef Moser, der es selbst auf 364 Interviews gebracht hat.

Zwölf Jahre lang, von 2004 bis 2016, hat Moser den Rechnungshof geführt. Nun, wo das Parlament mit Margit Kraker eine Nachfolgerin gewählt hat, trat der Verwaltungsjurist und ehemalige Klubdirektor der FPÖ zum letzten Mal als oberster Prüfer der Republik vor die Medien – nicht ohne der Politik ein Vermächtnis auf den Tisch zu knallen. Ein 475 Seiten starkes "Positionspapier" hat Moser fabriziert, bestückt mit 1.007 Empfehlungen. "Es ist an der Zeit, dem Wollen ein Tun folgen zu lassen", sagt der 60-Jährige, sonst werde die Republik keine "nachhaltige Entwicklung" nehmen.

80 Prozent Erfolgsquote

Moser liest den Regierenden nicht zum ersten Mal die Leviten – war dann all das Mahnen und Drängen über die Jahre vergebens? Keineswegs, sagt Moser, schließlich seien von den seit 2007 ausgesprochenen 16.132 Empfehlungen sogar 80 Prozent umgesetzt worden. Was ihm aber Sorgen mache, seien die fehlenden 20 Prozent. Denn die umfassten entscheidende Bereiche, wo alte Strukturen "versteinerten".

Als ein Paradebeispiel nennt Moser den Bildungsbereich. Österreich gebe da überdurchschnittlich viel aus, doch das Geld versickere im System, wo ein Kompetenzwirrwarr einen effizienten Einsatz der Millionen verhindere. Der nun geplante Umbau, der Bildungsdirektionen bringen soll, treibe das Problem eher auf die Spitze, als dass er es löse, kritisiert Moser. Auch die Reform des Gesundheitssystems habe an der Kompetenzzersplitterung nichts geändert, so sein Befund.

Zwei Milliarden bei Pensionen einsparbar

Anderer Dauerbrenner in den Forderungskatalogen des Rechnungshofs: die Pensionen. Zwar vermerkt Moser, dass auf Empfehlungen des Rechnungshofs bei den Pensionen von Nationalbank-Mitarbeitern und Landesbeamten Einsparungen eingeleitet wurden, die sich bis 2050 auf 237 Millionen beziehungsweise 714 Millionen Euro summieren würden. Doch vieles sei offen: Bei Sonderpensionen in den Ländern, bei ÖBB, Nationalbank und den Sozialversicherungen sieht Moser immer noch ein Sparpotenzial über die Jahrzehnte von insgesamt über zwei Milliarden Euro.

Mosers Erfahrung: Die verantwortlichen Akteure würden sehr wohl die Probleme sehen, aber vielfach nicht die Verantwortung wahrnehmen, sondern bequemerweise neues Geld in die alten Strukturen stecken. Auf diese Weise werde die Zukunft des Landes gefährdet, warnt er: Die Kinder bekämen einen Rucksack aufgeladen, den sie einmal nicht mehr schleppen könnten.

Geld kommt nicht an

Dramatisiert Moser die Lage damit nicht? Schließlich betrug das Budgetdefizit, wenn man die Kosten für die Bankenrettung ausklammert, im Vorjahr lediglich 0,5 Prozent. "Ich bin nur realistisch", erwidert der scheidende Präsident, verweist auf die gestiegene Verschuldung und die Zahlen des aktuellen Finanzrahmens für die Jahre 2017 bis 2020. Für Bildung, Wissenschaft und Forschung seien darin geringere Steigerungen vorgesehen als noch in den Jahren 2011 bis 2015, weil eben die vielen "Ineffizienzen" und "Doppelgleisigkeiten" teuer zu stehen kämen. "Ohne Strukturreformen werden wir nicht nachhaltig wirtschaften können", sagt Moser: "Das Geld kommt dann nicht bei jenen an, die es brauchen." (Gerald John, 15.6.2016)