Die Gründe für das böse Erwachen nach dem ersten selbstverdienten Antreten des österreichischen Teams bei einer Europameisterschaft lassen sich in der Struktur des Passspiels finden. Wie in den allermeisten Qualifikationsspielen zeigte sich auch diesmal eine ausgeprägte Linkslastigkeit, die sich in dem Beziehungsdreieck Fuchs–Alaba–Arnautovic manifestiert.

Die Spielzüge, Pässe und Zweikämpfe werden codiert, statistisch und netzwerkanalytisch ausgewertet und interpretiert. Das Passnetzwerk bildet die Ballwege zu den drei wichtigsten Partnern jedes Spielers ab, die Kreisgrößen zeigen die Summe der Pässe.

Im Unterschied zu sonst erzeugte dieses hervorragend eingespielte Trio gegen Ungarn jedoch kaum Druck nach vorn. Das Spiel blieb aufgrund der eng am Mann stehenden ungarischen Defensive sowie der mangelnden Präzision im Aufbauspiel weitgehend auf der Strecke. Vorübergehende Phasen des Ballbesitzes mündeten oft in Zirkulationen der Ratlosigkeit, gewonnene Bälle wurden oft gleich wieder verschenkt. Dadurch wollte sich das in der Qualifikation so beeindruckend zelebrierte Umschaltspiel nicht und nicht entfalten. Wenn einmal eine Lücke im gegnerischen Gefüge aufging, handelten die Spielgestalter zu unentschlossen, umständlich oder unglücklich. Das direkte Überspielen des Gegners wurde entweder gar nicht gesucht oder, wenn es einmal versucht wurde, oft vertändelt. Insgesamt haftete der österreichischen Team-Performance eine verzweifelte Suche nach dem Rhythmus an.

Die Analysen werden von einer chronologischen Aufzeichnung des Spielverlaufs begleitet, die, in Abstände von fünf Minuten zerlegt, die Anzahl der Pässe und der Zweikämpfe der beiden Mannschaften veranschaulicht und so die Aktivitätskurve der Mannschaften am Ball und "am Mann" über die gesamte Spielzeit verdeutlicht.

Die Ungarn raubten mit ihrem rackernden Eifer den Österreichern zusätzlich jegliche Stabilität. Angetrieben von Gera, der sich mit seinen 37 Jahren als ungarisches Pirlo-Generikon entpuppte, wuselten vor allem die quirligen Knappen Nagy und Kleinheisler durch die kollektive rotweißrote Verunsicherung. Auffällig die strukturelle Parallele zum österreichischen Passnetzwerk mit einem ähnlichen Übergewicht auf dem linken Flügel, wo der kurzfristig nominierte Nemeth mit Kadar für beständigen Wirbel sorgte.

Die Grafik zur taktischen Typologie setzt die Rollen der Spieler ins Verhältnis zur Performance ihres Teams. Sämtliche Werte des Passspiels (x-Achse) bzw. des Zweikampfverhaltens (y-Achse) werden über den Wert 1 normalisiert. Die Anzahl der Pässe setzt sich aus gegebenen und angenommenen Pässen zusammen, die der Zweikämpfe aus aktiven, passiven, ungerichteten Zweikämpfen. Der Wert des Einzelspielers weist seine Position innerhalb der Gesamtperformance aus und verortet ihn in Bezug auf seine taktischen und spielerischen Aufgaben.

(Helmut Neundlinger, 15.6.2016)