Margit Kraker wird Rechnungshofpräsidentin.

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Die Bestellung von Margit Kraker zur nächsten Rechnungshof-Präsidentin hat wieder einmal die alte österreichische Weisheit bestätigt, dass die richtige Parteifarbe bei der Karriere im öffentlichen Dienst in vielen Fällen zumindest nicht hinderlich ist. Tatsächlich hatten alle bisherigen Rechnungshof-Präsidenten ein eindeutiges Naheverhältnis zu einer Partei (wiewohl in einigen Fällen zu einer Oppositionpartei).

Aber nicht nur in öffentlichen Spitzenfunktionen sind Parteibücher gang und gäbe. Österreich ist, auch was die Gesamtbevölkerung betrifft, eines der Länder in Europa mit der höchsten Dichte an Parteimitgliedern. Die Grafik unten zeigt dies anhand von Umfragedaten.

Während in vielen vergleichbaren Ländern Westeuropas ein einstelliger Prozentanteil angibt, Mitglied bei einer Partei zu sein, trifft das in Österreich immerhin auf einen von acht Befragten zu. Der Löwenanteil geht dabei natürlich auf das Konto von SPÖ und ÖVP, die beide sechsstellige Mitgliederzahlen aufweisen. (Wobei bei der ÖVP eine große Diskrepanz zwischen den Umfragedaten und den oft kolportierten 700.000 Mitgliedern besteht. Entweder ist dieser Wert stark überhöht, oder viele Mitglieder wissen nicht, dass sie der ÖVP angehören – was aufgrund der bündischen Struktur durchaus plausibel wäre.)

Nur logisch also, könnte man meinen, dass bei einem relativ großen Pool an Mitgliedern parteipolitische Motive bei der Postenvergabe im öffentlichen Sektor – besonders bei höheren Positionen – stärker zum Tragen kommen als anderswo. In der Politikwissenschaft wird dieses Phänomen unter dem Begriff Patronage diskutiert.

In einer Studie von Petr Kopecký von der Universität Leiden (Niederlande) und einem Team von Koautoren wurde auf Basis von ausführlichen Experteninterviews in 16 europäischen Ländern ein Patronage-Index erstellt (mit einem Wertebereich zwischen 0 und 1). Je höher die Werte, desto eher waren die Experten (45 wurden pro Land interviewt) der Auffassung, dass parteipolitische Motive bei der Vergabe von Positionen im öffentlichen Sektor ein Rolle spielen. Die zweite Grafik zeigt, wie die 16 Länder eingestuft wurden.

Österreich nimmt auch hier eine Spitzenposition ein, wobei kritisch angemerkt werden muss, dass die Experteneinstufungen womöglich nicht perfekt über die Länder vergleichbar sind. Ein italienischer Experte würde dasselbe empirische Phänomen vielleicht anders einordnen als ein dänischer, weil die Grenzen dessen, was als politisch tolerabel gilt, in den beiden Ländern wohl recht unterschiedlich verlaufen.

Dennoch ist die Einstufung Österreichs als Land mit hohem Patronage-Niveau mit Sicherheit valide. Das legen auch andere Untersuchungen nahe, etwa diese Studie von Tobias Bach, Gerhard Hammerschmid und Lorenz Löffler, oder auch jene Daten, die ich vor einigen Jahren im Rahmen meiner Dissertation gesammelt habe.

Anhand dieser Informationen zeigt die dritte Grafik den Anteil von parteinahen Personen in Aufsichtsräten, Vorständen und Geschäftsführungen in mehrheitlich bundeseigenen Kapitalgesellschaften zwischen 1995 und 2010. Die Namen dieser rund 1.600 Personen wurden aus dem Firmenbuch erfasst, ihre Parteinähe danach in monatelanger Recherche aus biografischen Datenbanken, Wahllisten, Lebensläufen in Geschäftsberichten und Medienarchiven erhoben.

In dieser Darstellung wird deutlich, dass etwas mehr als die Hälfte aller Positionen von Personen mit klarem Naheverhältnis zu einer Partei besetzt wird. Mindestens genauso relevant ist aber, dass die Muster der parteipolitischen Postenbesetzung den wechselnden Farben der Regierungskoalitionen folgen. Nach dem Wechsel von der großen Koalition zu Schwarz-Blau im Februar 2000 sinkt der SPÖ-Anteil deutlich, während jener der FPÖ steigt. Genau umgekehrt verhält es nicht nach Wiedereintritt der SPÖ in die Regierung Anfang 2007. Dieses Muster legt eine Hickersberger'sche Logik nahe: Berufen werden nicht notwendigerweise die Besten, sondern die Richtigen (wobei die Daten über die Qualifikation der ernannten Personen keine Auskunft geben).

Diese Besetzungsmuster bleiben auch nicht ohne messbare Konsequenzen: Eine Untersuchung von Renate Meyer, Markus Höllerer und Stephan Leixnering aus dem Jahr 2015 zeigt, dass politische Nähe des Spitzenpersonals in Staatsbetrieben mit höheren Gehältern für Vorstände und Geschäftsführungen korreliert.

Auch wenn das Ausmaß an Parteimitgliedschaft in der Gesamtbevölkerung seit 1980 stark zurückgegangen ist, bei der Besetzung von Spitzenpositionen im öffentlichen Bereich feiert das Parteibuch fröhliche Urständ. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 15.6.2016)