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Peking/Berlin – Bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen hat China Deutschland am Montag zugesagt, die Insel-Streitigkeiten mit anderen Staaten friedlich beizulegen und das internationale Völkerrecht einhalten. Beide Regierungen bekannten sich in einer am Montag in Peking veröffentlichten Erklärung zum UN-Seerechtsübereinkommen "und den darin verankerten Freiheiten der Schifffahrt und des Überflugs".

Dass auch die Überflüge erwähnt werden, ist angesichts der jüngsten Spannungen zwischen den USA und China im Streit um das ost-und südchinesische Meer von Bedeutung. Die Passage findet sich in der Erklärung zu den 4. deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen in Peking, an denen unter anderen der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie mehrere Minister teilnahmen.

Konflikt über Gebietsansprüche

Bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen nahmen beide Seiten am Montag eine Passage auf, in der sie eine "friedliche Lösung territorialer Streitfragen" anmahnen. Obwohl die strittigen Meeresgebiete nicht ausdrücklich erwähnt werden, scheint China damit erstmals zu akzeptieren, dass sich auch unbeteiligte Staaten wie Deutschland hier einschalten.

China liegt seit Jahren mit seinen ostasiatischen Nachbarn im Konflikt über Gebietsansprüche auf unbemannte Inseln in zwei Seegebieten. Die USA patrouillieren seither mit Kriegsschiffen in der Region und unternehmen auch Beobachtungsflüge. Zuletzt waren sich chinesische und US-amerikanische Kampfflugzeuge gefährlich nahe gekommen.

Vor zwei Wochen hatte der G-7-Gipfel in Japan auf einer friedlichen Beilegung und die Anerkennung internationaler Schiedsgerichtsverfahren bestanden – was China zu einer wütenden Reaktion veranlasste. Die Volksrepublik will ein von den Philippinen im Herbst beim Internationalen Seegerichtshof beantragten Schiedsspruch nicht akzeptieren, sondern dringt auf bilaterale Abkommen mit Nachbarstaaten.

Inselstreit zwischen China und Japan

Der Einsatz von US-Marineschiffen und Flugzeugen nahe der von China beanspruchten Inseln hatte jüngst zu Spannungen mit den USA geführt, die damit genau diese Rechte unterstreichen wollten. Auch der Hinweis auf die Seerechtskonvention in der Erklärung ist auffällig, weil China nicht akzeptiert, dass sich der Schiedshof in Den Haag auf Antrag der Philippinen mit seinen Ansprüchen beschäftigt. Eine Entscheidung, die China schon heute ablehnt, wird bald erwartet.

Um die Aufnahme der Passage in die gemeinsamen Erklärung wurde dem Vernehmen nach hart verhandelt. Die deutsche Seite wertete es als Erfolg. Berlin bestand auf internationalem Recht, vor allem dem Seerechtsübereinkommen. Dafür wurden im Sinne der Chinesen das Süd- und Ostchinesische Meer nicht ausdrücklich erwähnt. Als Zugeständnis kann auch gewertet werden, dass Streitigkeiten sowohl regional als auch "bilateral" gelöst werden sollen, wie es in der Erklärung heißt. Peking pocht auf bilateralen Verhandlungen.

China beansprucht rund 80 Prozent des Südchinesischen Meeres, in dem nicht nur große Fischgründe und Rohstoffvorkommen liegen, sondern auch wichtige Schifffahrtswege verlaufen. Auch streitet China mit Japan um die chinesisch Diaoyu und japanisch Senkaku genannten Inseln im Ostchinesischen Meer, die unter japanischer Kontrolle stehen. In beiden Seegebieten war es in den vergangenen vier Wochen zu Zwischenfällen zwischen den Streitkräften Chinas, der USA und Japans gekommen, die das Risiko eines Konflikts verstärkt haben.

Belegung des Handelskriegs zwischen EU und China

Merkel und Li betonten zudem, dass sie einen Handelskrieg zwischen China und der EU wegen des Streits über die Anerkennung Chinas als Marktwirtschaft vermeiden wollten. Zugleich forderten die Kanzlerin und Vertreter der deutschen Industrie angesichts der chinesischen Einkaufstour in Europa eine Gleichbehandlung deutscher Firmen in China ein. Einen besseren Marktzugang für chinesische Banken knüpfte Merkel ausdrücklich an eine Liberalisierung in China.

Der sich anbahnende Streit zwischen der EU und China über den Marktwirtschaftsstatus überschattete die bilateralen Regierungskonsultationen, zu denen Merkel mit sechs Ministern und einer Wirtschaftsdelegation nach Peking geflogen war. Bei den Konsultationen wurden 24 Vereinbarungen geschlossen, darunter Wirtschaftsabkommen im Volumen von 2,73 Milliarden Euro.

Streit um Einstufung als Marktwirtschaft

Li sprach "von einer neuen Dynamik". In einer elfseitigen Erklärung wird zudem auf etlichen Feldern eine intensivere Zusammenarbeit vereinbart, die vom gemeinsamen Aufbau eines Katastrophenschutzes in Afghanistan, der Fortsetzung des Rechtsstaatsdialogs, der Verstärkung der Zugverbindung zwischen beiden Ländern bis zu einem engeren Schüleraustausch reicht.

Bei Chinas Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO 2001 war eine 15-jährige Übergangsfrist festgelegt worden, die Ende 2016 ausläuft. China pocht deshalb darauf, von der EU dann als Marktwirtschaft eingestuft zu werden. Danach dürfte die Verhängung etwa von Schutzzöllen gegen das Land schwieriger werden, weshalb die Regierung in Peking auf diese EU-Zusage pocht. Einige EU-Regierungen lehnen aber aus gleichem Grund die Zubilligung des Status ab. Es wird befürchtet, dass China Sanktionen gegen Firmen in der EU verhängen könnte, wenn es nicht als Marktwirtschaft anerkannt wird. (APA, 13.6.2016)