Deutschlehrer für Menschen mit nichtdeutscher Muttersprache – das war bis vor kurzem ein Schleudersitzjob. Gab es nicht genügend Anmeldungen, fiel der Kurs eben aus. Als Honorarempfänger hat man keinen Anspruch auf irgendwas. Dann aber folgte auf die massive Zuwanderung ab letztem Herbst ein Ansturm auf Deutschkurse, die, zur Pflicht erhoben, laut Integrationsministerium auch in genügendem Ausmaß vorhanden sein sollten.

Tatsächlich aber herrscht vielerorts Kursknappheit – und da werden gleich mal alle Kapazitäten zusammengefangen, die irgendwo aufzutreiben sind. Pensionierte Volks- und Hauptschullehrer zum Beispiel. Engagierte Freiwillige machen es sogar gratis. Und trotzdem: Die entsprechenden Angebote sind auf Monate hinaus ausgebucht.

Eine sinnvolle Organisation ist da kaum noch möglich – ein Problem, das durch den österreichischen Bürokratismus noch verschärft wird. Staat und Länder rittern um Verwaltungskompetenzen. Der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) hat neue Regeln aufgestellt, nachdem sich herausgestellt hatte, dass etliche Institute mit Deutschkursen Schindluder trieben: Sie streiften einfach die Förderungen ein – und verschenkten dann die Zeugnisse. Eine einträgliche Sache.

Das soll inzwischen nicht mehr so leicht möglich sein. Ist es aber. Immer wieder kommt es vor, dass in Österreich lebende Deutschkursverpflichtete Kursanbietern hohe Summen für die Beschaffung eines positiven Zeugnisses (ohne vorher einen lästigen Deutschkurs absitzen zu müssen) anbieten.

Was die Praxis betrifft, müsste gängigen Meinungen zufolge die Durchführung eines Deutschkurses eigentlich völlig locker vonstattengehen. Kann ja eh jeder. Sollte man meinen.

Nun, Grundlagenwissen zu vermitteln ist an sich auch germanistischen Laien zuzutrauen, bei höheren Levels geraten selbige aber häufig in Erklärungsnot. Dazu kommt ein weiteres Problem, das im Zuge des letzten Deutschlernandrangs evident wurde: Viele der Zuwanderer können gar nicht schreiben. Zumindest nicht die bei uns übliche Lateinschrift. Und hier sind alphabetisierungspädagogische Kenntnisse vonnöten.

Abseits sprachlicher Vorgaben kann Unterrichten ohne pädagogisches Know-how allerdings auch beim persönlichen Miteinander im Chaos enden. Gar nicht so selten geraten Deutschlehrer zwischen ethnische und religiöse Fronten. Um es erst gar nicht so weit kommen zu lassen, sind von Anfang an Maßnahmen erforderlich, die anders geartet sein müssen als im Pflichtschulbetrieb. Denn die Teilnehmer an Deutschkursen sind in der Regel junge bis etwas ältere Erwachsene. Sie sind selbstverantwortlich und müssen auch so behandelt werden – bei allem Verständnis für Probleme, die aus dem Zurücklassen der alten Heimat und der geforderten Anpassung an die neue Umgebung entstehen.

An diesem Punkt kommen einige wesentliche Aspekte ins Spiel, die über gewöhnliches Unterrichten weit hinausgehen – und die Deutschlehrern eine Verantwortung in die Hand geben, die in der gängigen Debatte nicht einmal ansatzweise zur Sprache kommt: Sie sind die Ersten – und oft auch die Einzigen -, die den Zuwanderern ein Verständnis für die Kultur und die Wertigkeiten der für sie meist völlig neuartigen Gesellschaft vermitteln. Deutschkurse sind also das Um und Auf der Integration.

Ethnologische Kenntnisse, vor kurzem noch in den Orchideenfachbereich abgetan, sind da eine unschätzbare Hilfe. Denn es ist unerlässlich, Themenbereiche in den Unterricht einzubringen, die unbearbeitet später Probleme verursachen. Dies betrifft speziell den Umgang männlicher Schüler mit Frauen (inklusive Lehrerinnen), vor allem aber den Themenkomplex Religion. Während eines Deutschkurses, den ich für eine muslimische Landgemeinde in Niederösterreich im Nebenraum einer Moschee hielt, saß ein Imam mit in der Runde, der mir nach jedem Unterrichtstag erklärte, was ich sagen dürfe und was nicht.

Empfindlich bei Kritik

Streng konservativ in der anerzogenen Religion verankerte Muslime reagieren merkbar empfindlich auf jede Form ansatzweiser Kritik. In jedem Fall ist hier Fingerspitzengefühl gefordert.

Noch stärker gefordert ist selbiges in ethnischen Zusammenhängen. Vor einigen Jahren hatte ich je einen Vertreter einer türkischen und einer tschetschenischen Gruppe in meinem Kurs sitzen, die zuvor mit Messern aufeinander losgegangen waren. Ein andermal warben Jugendliche für die Scharia. In solchen Situationen hilft Verharmlosen und Verleugnen nicht weiter. Probleme müssen angesprochen und im Kurs bearbeitet werden.

Dass in der Vergangenheit viel falsch gemacht wurde, ist offensichtlich. Zuwanderer aus streng patriarchalen Kulturen, die sich die deutsche Sprache dialektgefärbt in Eigenregie angelernt haben, sind ihren alten Mustern oft treu geblieben. Das in ihren Kreisen weitverbreitete Ehrmuster verbindet sich vielfach mit konservativen religiösen, mithin islamistischen Vorstellungen zu einer gefährlichen Mischung von gesellschaftlicher Sprengkraft. Die diesen Parallelgesellschaften entstammenden Ideologen wirken wiederum auf die neu Zugezogenen und fördern so eine ansatzweise Radikalisierung. Hier in falsch verstandener Toleranz die Augen zu verschließen, kann fatale Folgen haben. Eine kurdische Schülerin beschrieb dies mit den Worten: "Vor denen bin ich weg aus meinem Land, und jetzt hab ich sie hier im Genick." Die herrschende österreichische Politik aber schaut weg – und überlässt das Feld rechtspopulistischen Scharfmachern.

Meine Bilanz bleibt indes bei allen Schwierigkeiten, die immer wieder auftreten, absolut positiv. Und manche meiner Schüler sind Freunde geworden. Dafür lohnt sich die Mühe. Der Staat aber muss dafür sorgen, diejenigen, die die integrative Grundlagenarbeit leisten, auch fair zu entlohnen und sozial abzusichern. Denn Deutschlehrer tragen, sofern sie ihren Job ernst nehmen, auch eine immense Verantwortung. (Eduard Gugenberger, 13.6.2016)