Oberösterreichs neue SPÖ-Landeschefin Birgit Gerstorfer plant einen neuen Führungsstil: "Wir brauchen schnellere Entscheidungen."

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STANDARD: Die Wahl der neuen Rechnungshofpräsidentin war letztlich ein Paradebeispiel politischer Packelei – bereut man es da als politische Quereinsteigerin nicht, in dieses Haifischbecken gesprungen zu sein?

Gerstorfer: Ehrlich, ich habe die Diskussion nur am Rande verfolgt. Aber generell ist es doch immer so: Nur selten hat man den Idealfall, dass es eine Person gibt, die für alle die beste Wahl ist. Ob nun in oder abseits der Politik. Bei der Bestellung der Rechnungshofpräsidentin war es eben auch so. Und da gilt es, Interessen abzuwägen und dann letztlich Kompromisse einzugehen. In der Politik passiert dieser Vorgang halt ein wenig transparenter.

STANDARD: SPÖ und ÖVP befinden sich auf Bundesebene bereits wieder im bekannten Konfrontationsmodus. Die Kraft des Neuen verfliegt auch in der SPÖ rasch. Wie groß ist Ihre Angst, dass die Probleme in der SPÖ Sie allzu rasch einholen?

Gerstorfer: Angst habe ich heute noch keine. Aber natürlich werden mich die Probleme der Partei einholen. Wenn der mediale Hype um meine Person vorbei ist, dann gilt es eben, die strategische und politische Arbeit anzupacken.

STANDARD: Ihre politische Erfahrung beschränkt sich auf wenige Jahre im Gemeinderat der kleinen Gemeinde Alkoven. Es gab daher auch Kritik nach Ihrer Kür, dass in der SPÖ Oberösterreich jetzt nicht die Zeit für politische Experimente sei. Beunruhigt Sie so etwas?

Gerstorfer: Überhaupt nicht. Es gibt genauso viele in der Partei, die mir sehr wohlwollend gegenübertreten – und froh sind, jetzt eine Parteichefin zu haben, die nicht aus den eigenen Reihen kommt. Ehrlich, mehr Bauchweh hätte ich, wenn plötzlich alle in der Partei der Meinung wären, dass ich die Allerbeste bin.

STANDARD: Die Ausgangslage mit dem schlechtesten Wahlergebnis in der Parteigeschichte (18, 4 Prozent) bei der Landtagswahl im September des Vorjahres und dem Verlust des zweiten Platzes ist doch eine miserable. Braucht es da jetzt für die erhoffte rote Auferstehung nicht einen Politprofi?

Gerstorfer: Sie haben ja recht, die Situation der SPÖ in Oberösterreich ist alles andere als rosig. Aber bitte unterschätzen Sie nicht, wie viel Politikerfahrung ich habe: In meiner Rolle als AMS-Landeschefin habe ich immer sehr eng mit der Politik zusammengearbeitet. Über alle Parteien hinweg. Die Politik hat mich immer interessieren müssen.

STANDARD: Sie haben gleich bei Ihrer ersten Pressekonferenz angekündigt, auf Kraftausdrücke verzichten zu wollen. Gibt es zu wenig Harmonie in der Politik?

Gerstorfer: Zwischen Harmonie und Kraftausdrücken gibt es viel dazwischen. Ich will bitte keine Harmonie in der Politik. Es wird die nötige Härte brauchen, aber ich muss niemanden niveaulos beschimpfen oder beleidigen. Die Menschen können diese Streitereien der Politiker doch längst nicht mehr hören. Da darf die SPÖ ruhig einmal vor der eigenen Haustür zu kehren beginnen.

STANDARD: Sie werden die einzige Frau in der oberösterreichischen Landesregierung sein. Werden Sie der politischen Männerriege "die Wadln virerichten"?

Gerstorfer: Der Überhang an Männern war in meinem Berufsleben immer vorhanden. Mit dem kann ich also gut umgehen. Und ich weiß mich durchzusetzen.

STANDARD: Wie würden Sie den aktuellen Zustand der SPÖ Oberösterreich beschreiben?

Gerstorfer: Das letzte Wahlergebnis ist bekannt. Dass sich in der Partei der Jubel in Grenzen hält, muss ich nicht dazusagen. Wir müssen uns jetzt nach innen rasch klar werden, wer künftig die handelnden Personen sind und in welche Richtung es gehen soll. Und nach außen transportieren, was unsere Themenfelder sind.

STANDARD: Seit 2009 haben bereits zwei Parteichefs versucht, die Partei neu aufzustellen. Und beide Male ist es kräftig schiefgegangen. Warum soll es jetzt gelingen?

Gerstorfer: Ich weiß. Jetzt muss der Neustart gelingen. Es ist die letzte Chance für die Partei. Und vielleicht erkennt man das jetzt auch.

STANDARD: Ihr Amtsvorgänger Johann Kalliauer meinte, es brauche eine jüngere Garde, die dazu beitrage, "dass die Partei wieder in die Gänge kommt". Werden Sie verstärkt ein wachsames Auge auf den roten Nachwuchs haben?

Gerstorfer: Was ist jung für Sie? Wenn ich beim Pensionistenverband auftrete, werde ich als jung gesehen, in der Schule als maueralt. Also ist alles eine Frage der Positionen. Ich kann Ihnen aber noch gar nicht sagen, welche Potenziale etwa im Bereich der Sozialistischen Jugend vorhanden sind, da ich viele handelnde Personen noch gar nicht kenne.

STANDARD: Kommende Woche soll mit schwarz-blauer Mehrheit die Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte beschlossen werden. Wie beurteilen Sie als künftige Soziallandesrätin den Schritt?

Gerstorfer: Ich bin klar dagegen. Für Betroffene verschlechtert sich die Situation dramatisch. Und sie werden kurzfristig in den Hilfsarbeiterarbeitsmarkt eintreten – und dort nicht mehr herauskommen. Sie werden viermal so häufig von Arbeitslosigkeit betroffen sein. Und vorhandene Potenziale können nicht genutzt werden. (Markus Rohrhofer, 10.6.2016)