Im August 2015 wollte Merkels Deutschland "gemeinsam mit Österreich und Schweden (...) als eine Art 'Überlaufbecken' dienen, das die Zeit verschaffen sollte, eine europäische Lösung herbeizuführen". In diesem – vom Politologen Herfried Münkler in der Zeit berichteten – "Tausch von Raum gegen Zeit" will Sebastian Kurz nicht mehr europäische Wohnquartiere, sondern Mittelmeerinseln als Übergangslösung nutzen. Viel Zustimmung gibt es für seine Absicht, "bedeutend mehr Hilfe vor Ort zu leisten und gleichzeitig die freiwillige Aufnahme der Ärmsten der Armen" zu verstärken. Ansonsten ist der Widerstand heftig.

Doch ist wenigstens machbar, worüber sich alle einig sind?

In Afrika, wo die meisten Boote starten, springt die Bevölkerung zwischen 1945 und 2015 von 165 auf 980 Millionen allein im Subsahara-Raum. 2050 sollen es 2,1 Milliarden sein. 600 Millionen sind ohne Stromanschluss. Die Zahl der absolut Armen (1,90 US-Dollar pro Tag) steigt zwischen 1990 und 2011 von 280 auf 390 Millionen. Schon 2009 ermittelt Gallup 38 Prozent Migrationswillige. Das wären aktuell 390 und 2050 rund 840 Millionen Hilfesuchende. Wissen – mit ihrem Durchschnittsalter von 44 Jahren – die 100 Millionen Bürger Deutschlands, Österreichs und Schwedens, wie man für zehnmal so viele und durchschnittlich nicht einmal halb so alte Menschen die Probleme vor Ort löst und dabei ein paar Hundert Millionen der Schwächsten in Europa versorgt? In Schweden etwa wird pro Kopf hundertmal so viel exportiert wie aus dem Subsahara-Raum. Wo wären Fachkräfte für das Überwinden dieser Differenz?

Fit für Hightech?

In Europa (mit Russland) gibt es 2015 rund 140 Millionen Menschen unter 18 Jahren. Für 2050 werden nur noch 130 Millionen erwartet. Gesamtafrika (mit dem arabischen Norden) hat heute 540 und 2050 rund 1000 Millionen Einwohner im selben Alter. Die hiesigen Jugendlichen reichen nicht aus, um die eigenen Alten zu versorgen und nebenher die zornigen Gleichaltrigen ohne Ausbildung von Übergriffen abzuhalten; denn von 100 benötigten Kindern für eine Stabilisierung der Demografie werden nur 60 bis 70 geboren. Wie soll dann jeder dieser Seltenen auch noch vier oder acht Afrikaner für Hightech fit machen?

Selbst innerhalb der EU erreicht 2016 das Sozialprodukt noch nicht wieder die Leistung von 2007. Jedes auswärts eingesetzte Ass beschleunigt das Absinken im Wettbewerb mit den 1,6 Milliarden in Ostasien. Auch dort hapert es bei den Geburten, aber man hat die besten Schüler der Welt und ist entschlossen, ihnen Unterlegene fernzuhalten. Staunen erregt, dass Deutschland 70 bis 80 Mrd. Euro für ein Breitband-Glasfasernetz nicht aufbringt, während 100 Milliarden Euro für das fünfjährige Bezahlen der Flüchtlinge von 2015 umgehend da sind.

Man bekommt mit, dass nur jeder Zehnte der Neuen gut qualifiziert ist und womöglich auch noch weiterwandert. Zahllose Industrien – Kameras, Telefone, Fernseher, Computer, Tonträger, Schiffbau etc. – hat Ostasien den Deutschen seit den 1970ern schon abgejagt. Darf da nicht Zuversicht wachsen, jetzt auch bei den übrigen zum Erfolg zu kommen? Schließlich hat das Land Adam Rieses kein Heilmittel gegen Mathematikschwäche gefunden, sodass seine Migrantenkinder zu 55 und die altdeutschen zu 30 Prozent mangelhaft bis unbenotbar abschneiden.

Immer mehr Kriegsgebiete

Zu den Härtefällen, die man auch weiterhin nehmen will, gehören Kriegsbetroffene. Versteht man deren Zunahme? Aktuell leiden 52 Länder mit 1,4 Milliarden Einwohnern unter einem Kriegsindex zwischen 3 und 7. In Österreich liegt er bei 0,8, in Deutschland bei 0,66 (2014). Auf 1000 rentennahe Männer zwischen 55 und 59 Jahren folgen also lediglich 800 bzw. 660 Jünglinge zwischen 15 und 19 Jahren, die etwas werden wollen. In Pakistan und Syrien aber sind es 3600, in Gaza 6200 und in Afghanistan 6400, die um nur 1000 Positionen kämpfen.

An der Spitze liegt Subsahara-Afrika mit 6900 (Uganda) und 7000 (Sambia). Wer wollte angesichts solcher Aussichtslosigkeit nicht Wirtschaftsflüchtling werden? Diesen Weg – so die Gallup-Studie von 2009 – will allein aus dem Raum zwischen Marokko und Kapstadt im Westen sowie Pakistan und Indonesien im Osten eine halbe, bis 2050 aber mehr als eine Milliarde Menschen beschreiten. Bei jetzt dort lebenden zwei Milliarden (2050: 3,7 Milliarden) sind das durchaus bescheidene Anteile. Gleichwohl kann bei steigenden Schlepperpreisen und sinkenden Einkommen nur ein Bruchteil die Reise antreten.

Die Wütendsten der Blockierten wollen dann doch durch Schüsse auf die heimischen Eliten nach oben kommen. Dabei verwandeln sie ihre Länder in Kriegsgebiete und ihre Mitbürger in Schutz- oder Asylberechtigte. 2050 werden es nur noch gut 40 Kriegsgebiete mit dann aber zwei Milliarden Einwohnern sein.

Importierter Judenhass

Bis in die 2040er-Jahre hinein wird sich immerhin der arabische Drang vermindern. Doch selbst für die stolzen Völker zwischen Casablanca und Oman fehlen die Talente, um Fliehende zu finanzieren und den Zurückbleibenden moderne Ökonomien hinzustellen. Immerhin wächst die arabische Bevölkerung seit 1950 von 70 auf 380 Millionen und soll 2050 bei 650 Millionen stehen. Nach einer 2015er-Erhebung wollen 35 Prozent bzw. 133 Millionen von ihnen nur noch weg. Dieselbe Untersuchung belegt mit 85 Prozent Antisemiten den Erfolg der Erziehung zum Judenmord. Selbst unter lange schon in Deutschland lebenden Muslimen bekennen sich 56 Prozent zum Judenhass gegenüber 14 Prozent bei den Alteingesessenen.

Sinnlose Grausamkeit?

Großmütig bleibt gleichwohl das Bekenntnis, die mit Gewalt und Not Bedrohten auch in Zukunft einzuladen. Doch die erforderlichen Hilfsmilliarden kann nur hergeben, wer sie gegen eine gänzlich unsolidarische Konkurrenz auf globalen Märkten auch verdient. Schaffen das die Zahler nicht mehr, könnten gerade ihre Besten in das vielgeschmähte Australien ausweichen. Dort sucht man bis 2050 dringend zehn Millionen Könner. Seine als "sinnlose Grausamkeit" gebrandmarkte Flüchtlingspolitik macht den Kontinent paradoxerweise selbst zum Hort für Flüchtende. 52 Prozent von ihnen bringen höchste Qualifikationen mit: Weltrekord! (Gunnar Heinsohn, 10.6.2016)