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Willi Ruttensteiner kritisierte ORF-Experten Peter Hackmair in seiner Tätigkeit als "Pitch Reporter" scharf.

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ORF-Experte Peter Hackmair meldete sich bereits auf Facebook zu Wort und bat um ein persönliches Gespräch.

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Mallemort – Da auch ein 53-jähriger Sportdirektor Bedürfnisse hat, und Kummer nicht in sich hineinfressen möchte, ging Willi Ruttensteiner am Freitag in Mallemort in die Offensive. Pressekonferenzen haben prinzipiell den Sinn, dass die auf dem Podium Sitzenden befragt werden, kritisch bis blöd. Ruttensteiner drehte den Spieß um. Wolfgang Gramann, der Mediendirektor des österreichischen Fußballbundes (ÖFB), warf das symbolische Hölzerl. "Willi, du willst was loswerden." Und Willi wurde.

Taktisch versiert, wie der Oberösterreicher nun einmal ist, lobte er zunächst die seiner Meinung nach meist hochqualitative Berichterstattung ("Danke Willi, war nicht nötig"), um sich dann ausgerechnet auf den Medienpartner ORF einzuschießen. Er kritisierte den TV-Spielfeldreporter (Pitch-Reporter) Peter Hackmair. Der möge doch bitte schön auf seine Interpretation von Gesten oder Gesichtsausdrücken verzichten, die eigene Wahrnehmung nicht öffentlich als Tatsache hinstellen. Ruttensteiner: "Körpersprachen gehören nicht interpretiert. Ich habe noch nie einen Spieler mit einem Fragezeichen im Gesicht gesehen."

Nicht zur Aufheiterung von Ruttensteiner trug auch die Tatsache bei, dass bei den drei jüngsten Trainerwechseln im österreichischen Profi-Fußball (Ried, Wacker Innsbruck, Rapid) ein Ausländer auf einen Österreicher folgte. "Ich möchte keinen ausländischen Trainer, der bei uns beschäftigt ist, angreifen. Auf der anderen Seite bin ich sehr enttäuscht, dass man nicht dorthin schaut, wo sehr gute österreichische Trainer arbeiten." Heimische Coaches wie Adi Hütter oder Zoran Barisic hätten zuletzt gute Arbeit geleistet. "Ich wünsche mir mehr Chancen für österreichische Trainer, die haben sie sich auch verdient", meinte der Chef der ÖFB-Trainerausbildung.

Sonneneinstrahlung

Ruttensteiners Gesicht ist übrigens gut gebräunt. Das liegt daran, dass er die Trainings von der tribünenlosen Seite aus beobachtet. Und dorthin brannte eben die Sonne, das ist eine geografische oder baupolizeiliche Laune. "Die Interpretation, dass ich braun bin, weil ich faul in der Sonne liege, wäre völlig falsch." Hackmair sollte später so reagieren: "Ich bin für Kritik offen. Sorry, aber das hätte er mir auch persönlich sagen können, wir kennen uns ja."

Ob Ruttensteiner im Auftrag von Teamchef Marcel Koller gehandelt hat, sei dahingestellt, das wäre nur eine Mutmaßung. Hackmair hatte während des 0:2 im Test gegen die Niederlande aus Kollers Gesicht Ratlosigkeit abgelesen. In Mallemort gibt es also eine Mücke, die sich zum Elefanten auswuchs. Sollte Ungarn am Dienstag in Bordeaux geschlagen werden, ist der Elefant selbstverständlich wieder eine Mücke.

Man soll, so des Sportdirektors Bitte (Auftrag), nichts Negatives suchen. Es ist egal, dass David Alaba wie verrückt Bilder aus dem Quartier in die Welt gepostet, sich also nicht an die Regeln gehalten hat. Der vernünftige Umgang mit Social Media ist keine Mücke. Offiziell wurde Alaba nicht gerüffelt. Und nun zu den wahren Problemen des österreichischen Fußballs: Irgendetwas dürft mit Marc Janko, eigentlich mit Marc Jankos Fitness, nicht stimmen. Angeblich ist es nur eine Muskelverspannung im Nackenbereich, der Stürmer fasste sich aber immer wieder an den Oberschenkel. Am 10. April hatte er sich Muskelfaserrisse im Adduktorenbereich zugezogen. Ruttensteiner geht davon aus, dass der 32-Jährige gegen Ungarn mittun kann. "Janko ist erfahren, er kennt seinen Körper, weiß, wie man den Prozess steuert. Koller wird mit ihm ausführlich reden, die medizinische Abteilung mit ihm intensiv arbeiten." Der Sportdirektor wurde schlussendlich doch euphorisch, schwärmte von den hervorragenden Bedingungen in Mallemort. "Wir haben die Ruhe gesucht und gefunden. Die einzige Unsicherheit war, ob Rasenziegel fliegen. Das wär unangenehm gewesen."

Am Freitagvormittag wurden die Spieler ausführlich über Ungarn informiert. Laut Ruttensteiner sind sie Koller an den Lippen gehangen. "Das war hervorragend, sie kennen jetzt die Stärken. Und sie wissen, wie man in die Schwächen reinstoßen kann. Ich bin jetzt schon dafür dankbar, dass wir hier sein und lernen dürfen. Eine Riesenherausforderung. Ich erwarte mir drei hervorragende Spiele. Was dabei rauskommt, lasse ich offen."

Bekanntschaften

Jakob Jantscher und Stefan Ilsanker gehören zwar nicht der Stammformation an, sie sind trotzdem froh, "Teil dieser Mannschaft zu sein. Wir sind stolz, den Adler auf der Brust tragen zu dürfen. Wir verlieren und gewinnen gemeinsam." Jantscher möchte bei nicht unwahrscheinlichen Kurzeinsätzen "sofort präsent sein". Er hat einst bei Dynamo Moskau mit Balazs Dzsudzsak gespielt, der ist Ungarns bester Fußballer, wirbelt am rechten Flügel. Der Kontakt ist abgebrochen, wird in Bordeaux wieder aufgenommen. Ilsanker bleibt mit Ersatztormann Peter Gulacsi auf jeden Fall in Verbindung, sie sind Klubkollegen in Leipzig.

Und dann schilderten die beiden Reservisten den Tagesablauf, der logischerweise mit dem Aufstehen beginnt und dem Schlafengehen endet. Dazwischen wird trainiert, regeneriert, gegessen, massiert. Das Kältebecken, die Saunaanlage, der Billardtisch, die Playstation sind gut gebucht. Die EM-Partien werden gemeinsam geschaut, das Hotelpersonal soll grandios sein. Es kribbelt. Das sah man in Jantschers, Ilsankers und Ruttensteiners Gesichtern. Reine Interpretation, keine Mücke. (Christian Hackl aus Mallemort, 10.6.2016)