Die "Nachdenkpause" über die Neuentwicklung des Areals beim Intercontinental sorgt für geteilte Meinungen.

Visualisierung: Wertinvest

Wien – Die vom Planungsressort der Stadt Wien verordnete "Nachdenkpause" beim Areal des Hotels Intercontinental wurde von mehreren Architekturinstitutionen per offenen Brief an Stadträtin Maria Vassilakou (Grüne) "ausdrücklich begrüßt" (DER STANDARD berichtete). Ein anderer offener Brief an die Wiener Stadtregierung, für den seit Tagen um Unterstützung geworben wurde und der am heutigen Freitag verschickt wurde, hat das genaue Gegenteil im Sinn: Die Wiener Immo-Wirtschaft tut darin ihren Unmut über die "Nachdenkpause" kund und kritisiert generell "schleppende Verfahren und schwammige Positionen der Politik", wie es in einem Begleitschreiben heißt, das dem STANDARD vorliegt.

"Die Stadt möge sich überlegen, welche Rahmenbedingungen und klar abgesteckte Prozesse man Bauvorhaben – als dem Konjunkturmotor schlechthin – bieten will", heißt es dann in dem offenen Brief. Die Stadt solle "laufende Projekte und Verfahren zügig vorantreiben" und sich "entschlossener der neuerlichen Reifung Wiens zur Weltstadt stellen" (genauer Wortlaut siehe unten). Unterstützt wird der offene Brief neben den Interessenvertretungen WKÖ, ÖVI, IGPI und Forum Wohn.Bau.Politik außerdem von rund 40 Unternehmen aus der Bau- und Immobilienbranche.

Forderungspapier für nächste Bauordnungsnovelle

Konkretere Vorschläge werden gerade von ÖVI und Wirtschaftskammer gesammelt. Sie wollen im Herbst mit einem klaren Forderungspapier in die Verhandlungen über eine neuerlich anstehende Bauordnungsnovelle gehen.

ÖVI-Bauträgersprecher Klaus Wolfinger spricht sich etwa für die völlige Aussetzung der Stellplatzverpflichtung für fünf Jahre samt anschließender Evaluation aus. "Ziel ist es, das Ausmaß der für ein Projekt angemessenen Stellplätze dem Projektwerber zu überlassen, der je nach Markt und Zielgruppe sowie den planerischen bzw. bautechnischen Möglichkeiten am Standort am besten weiß, wie viele Stellplätze angemessen sind", sagt Wolfinger. (mapu, 10.6.2016)

"Offener Brief" im Wortlaut:

"Soll in Wien gebaut werden oder nicht?
Die Chancen und Verpflichtungen einer rasant wachsenden Stadt müssen erkannt werden.

Der Hochbau bringt die so dringend benötigte Wertschöpfung für die Stadt.Wien wächst rasant. Im globalen Wettbewerb rangiert Wien weit vorne als eine der attraktivsten Städte weltweit. Damit das so bleibt, sind schon heute die Weichen zu stellen. Attraktive und zukunftsweisende Immobilienprojekte kurbeln die Wirtschaft an, schaffen Arbeitsplätze und bauen die Positionierung als Kongress- & Tourismusmetropole aus.

Für Immobilienvorhaben gilt Wien jedoch als schwieriges Pflaster. Selbst erfahrene Profis stöhnen über die für die Wiener Stadtverwaltung und Stadtpolitik so typische Vielzahl an Zuständigkeiten mit widersprüchlichen Anforderungen. Die Bewilligungsverfahren dauern immer länger – die Stadtverwaltung versteht sich dabei nur selten als Dienstleister, wie es sich in anderen Bundesländern bzw. international immer mehr durchsetzt. Externe haben selten den Mut, sich auf dieses komplexe Terrain zu wagen oder ziehen wieder ab. Das vertreibt Bauherren aus Wien. Negative Effekte für die Wirtschaftsdynamik sind die Folge.

Jetzt lässt eine höchst irritierende Entscheidung der Stadt Wien aufhorchen: "Nachdenkpause" bei dem Vorzeigeprojekt Hotel InterContinental und Wiener Eislaufverein. Trotz der "in einem hohem Maße engagierten, kooperativen und hochprofessionellen Arbeit des Projektbetreibers" (Zitat Presseaussendung des Planungsressorts) wird für das Projekt nach jahrelanger, intensiver Bearbeitung von heute auf morgen eine Nachdenkpause verordnet.

Projektwerber sind ohnehin mit ständig neuen Belastungen konfrontiert, seitens des Bundes durch die letzten Steuerreformen, seitens des Landes Wien aufgrund der Überwälzung von Infrastrukturkosten. Manches lässt sich noch in ein Projekt hineinkalkulieren – aber nur, wenn man unter verlässlichen Bedingungen planen und realisieren kann.

Die Stadt Wien möge sich überlegen, welche Rahmenbedingungen und klar abgesteckte Prozesse man Bauvorhaben – als dem Konjunkturmotor schlechthin – bieten will. Das Bevölkerungswachstum ist eine Chance, kann aber kritisch werden, wenn die Bautätigkeit und die damit verbundenen Arbeitsplätze nicht mithalten.

In diesem Sinne fordern wir die Stadt Wien auf, laufende Projekte und Verfahren – wie u.a. das ohnedies schon aus allen Blickwinkeln geprüfte Projekt Hotel InterContinental und Wiener Eislaufverein – zügig voranzutreiben und sich insgesamt entschlossener der neuerlichen Reifung Wiens zur Weltstadt zu stellen.

Wien, im Juni 2016"