Wie (un)gesund Fleisch ist, hängt nicht zuletzt davon ab, unter welchen Bedingungen die Tiere aufwachsen, was sie fressen und wie sie geschlachtet werden.

Foto: Rogner Bad Blumau / Harald Eisen

Ulrike Weiler
"Fleisch essen? Eine Aufklärung"
€ 20,60 / 256 Seiten.
Westend
Frankfurt am Main 2016

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Egal ob Veganer, Vegetarier, Frutarier oder Flexitarier, bei der Diskussion darüber, was auf den Teller darf, geht es ans Eingemachte. Oder vielmehr um die Wurst. Denn Menschen stellen immer häufiger die Frage, ob sie noch Tiere essen dürfen. "Die Konsumenten sind verunsichert", konstatiert die Agrarwissenschafterin Ulrike Weiler. Durch Lebensmittelskandale, Missstände in der Tierhaltung und Horrormeldungen über das gesundheitliche Risiko von Schweinsbraten, Steaks und Koteletts.

"Die Zeit des hochgeschätzten Veredelungsprodukts, wie Fleisch früher genannt wurde, ist vorbei", schreibt die Autorin zu Beginn ihres Aufklärungsbuchs. Zu Unrecht, wie sie meint. Dass die Fleischeslust ihre Unschuld verloren hat, liege an Halbwahrheiten, Fehlinformation und medialer Schwarz-Weiß-Malerei. Weiler möchte Klarheit schaffen. Das gelingt zwar über zwölf Kapitel, doch leichte Kost ist diese Lektüre nicht.

Zunächst einmal: Menschen sind Allesfresser, sogenannte Omnivoren. Das heißt, Gebiss und Verdauungssystem sind darauf "programmiert", dass der Mensch sich sowohl von Pflanzen als auch von Tieren ernähren kann – ein Überlebensvorteil im Vergleich zu anderen Primaten. "Eine prinzipielle Negierung von Produkten tierischen Ursprungs entspricht nicht den physiologischen Bedürfnissen unserer Spezies", schlussfolgert Weiler.

Risikofaktor Ernährung

Ein Problem sei vor allem die Fehlernährung, egal ob mit oder ohne Fleisch. "Ungefähr 80 Prozent der Dickdarmkrebserkrankungen werden der Ernährung und dem Lebensstil zugeschrieben. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass der Faktor Fleisch allein eine solche Bedeutung als Risikofaktor hat", argumentiert die Autorin.

Auf 256 Seiten liefert sie wissenschaftliche Abhandlungen darüber, was in Fisch und Fleisch enthalten ist (Eisen, Omega-3- sowie Omega-6-Fettsäuren, Vitamin D, B12 und Cholesterol). Die Conclusio: Darüber, wie gesund oder schädlich der Verzehr von Rind, Schwein und Huhn ist, hängt nicht zuletzt davon ab, unter welchen Bedingungen die Tiere aufwachsen, was sie fressen und wie sie geschlachtet werden.

Nicht zu vergessen: Auf die Menge kommt es an. "Wir konsumieren zu viel Energie, verbrauchen zu wenig, und damit kehrt sich die positive Seite des Fleischkonsums ins Negative." Was noch zählt: die Art der Zubereitung, ein Aspekt, der Weiler zufolge bei Ernährungsstudien systematisch ignoriert wird. Zum Auftakt der Grillsaison gilt: Buch lesen, Fleisch kaufen, anfeuern und ohne schlechtes Gewissen genießen. (Günther Brandstetter, 11.6.2016)