Identitärer Durchbruchsversuch.

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Demonstranten bei einem Gruppenfoto.

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Der Start der Demo.

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Demonstranten der Identitären.

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"Individueller Pfeffersprayeinsatz" gegen "Angreifer".

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Die Polizei machte den Identitären den Weg frei.

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Pfeffersprayeinsatz.

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Wien – Bei der Demonstration der rechtsextremen Identitären ist es am Samstag in Wien zu Ausschreitungen gekommen. Die Polizei schritt beim Aufeinandertreffen des Demonstrationszugs mit linken Gegendemonstranten ein und setzte Pfefferspray gegen beide Seiten ein. An der Demonstration der Identitären nahmen laut Polizei zeitweise bis zu 1.000 Personen teil, ebenso viele an den Gegendemonstrationen.

Ein Teilnehmer der Versammlung der Identitären wurde nach dem Verbotsgesetz angezeigt, sieben Teilnehmer der Gegendemonstrationen festgenommen. Insgesamt wurden 13 Personen verletzt, darunter vier Polizeibeamte. Zumindest ein "Identitärer" wurde von einem Stein am Kopf getroffen. Er erlitt eine Platzwunde.

Kurz nach 14.30 Uhr hatten sich die Teilnehmer des Demozugs im Märzpark im 15. Wiener Gemeindebezirk in Bewegung gesetzt.

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Mit Parolen wie "Heimat, Freiheit, Tradition, Multikulti Endstation" und "Europa für Europäer, Antifa nach Nordkorea" kamen sie allerdings nur wenige Meter, da Gegendemonstranten offenbar die weitreichende Polizeiabsperrungen umgehen konnten. Daraufhin wurde von der ursprünglichen Route abgewichen, Nahe dem Urban-Loritz-Platz trafen die beiden Seiten schließlich aufeinander.

"Gerade die letzten Aktionen der Identitären Bewegung waren für mich ganz klar im Rechtsextremismus", sagte Gegendemonstrantin Edda zum STANDARD. "Ich finde es wichtig, dass man sich bewusst und deutlich dagegenstellt."

Die Rechtsextremen gingen gegen 15.30 Uhr den Neubaugürtel in Richtung Westbahnhof entlang. Dabei wurden sie immer wieder von Gegendemonstranten mit Plastikflaschen und Wasserbomben beworfen. Mehrmals explodierten auch Knallkörper.

Vorzeitiger Abbruch

Ursprünglich war der Demonstrationszug bis nach Schönbrunn geplant, eine vorzeitige Abschlusskundgebung wurde schließlich am Westbahnhof abgehalten, ein Aufgang der U-Bahn-Station Westbahnhof wurde kurzzeitig gesperrt. Gegen 16.30 löste sich die Versammlung der Identitären auf. Auch die "Offensive gegen Rechts" erklärte ihre Gegendemonstration für beendet und sprach von einem "großen Erfolg", weil der ursprünglich geplante Demonstrationszug vereitelt wurde. Die ÖH der Uni Wien warf der Polizei in einer Aussendung vor, den Rechtsextremen "den Weg freigeprügelt" und Pfefferspray "sichtlich wild in die Masse" gesprüht zu haben.

Auch Neos-Gemeinderat Christoph Wiederkehr kritisierte den "unverhältnismäßigen Gebrauch von Pfefferspray gegen Demonstrierende". Wiederkehr fordert daher die Kennzeichnungspflicht für Polizisten, um solche Vorfälle künftig zu verhindern.

Beamte und die Einsatzleitung hätten "überfordert und chaotisch" agiert, kritisierten auch die Grünen. Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) verteidigte den Einsatz. Die Polizei sah ihn als Erfolg: Das Einsatzziel, die Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu schützen und das direkte Aufeinandertreffen verschiedener politischer Gruppen zu unterbinden, sei erreicht worden. "Wenn eine Versammlung angemeldet wurde, ist die Polizei verpflichtet, den ordnungsgemäßen Ablauf zu gewährleisten", erklärte die Exekutive in einer Aussendung. Rund 1.000 Polizisten waren im Einsatz.

Nächtlicher Aufmarsch in der Josefstadt

Trotz Auflösung der Demonstrationen zog sich der rechtsradikale Aufmarsch am Samstag noch bis in die Nachtstunden. Wie die Polizei auf APA-Anfrage bestätigte, gab es ab 22.30 Uhr in der Josefstadt eine nicht angekündigte Demonstration, an der etwa 150 "Identitäre" beteiligt waren. Grund dafür waren unter anderem von den "Identitären" verbreitete falsche Gerüchte über einen im Koma liegenden Aktivisten.

Alexander Spritzendorfer von den Grünen Josefstadt prangerte den mitternächtlichen Aufmarsch an.

Laut Polizeiangaben marschierten am späten Samstagabend noch bis zu 150 rechtsradikale Demonstranten durch die Josefstadt. Die Versammlung habe sich aber relativ rasch aufgelöst. Anlass waren demnach unter anderem (offenbar falsche) Gerüchte über einen im Koma liegenden Aktivisten, die auch über den Twitter-Account der "Identitären" und über den FP-nahen Blog unzensuriert.at verbreitet wurden. Auch FPÖ-Chef Heinz Christian Strache verbreitete die Meldung via Facebook.

Mittelschwere Kopfverletzung

Tatsächlich wurde der betreffende Mann zwar mit einer Kopfverletzung im AKH behandelt, im Koma lag er aber nicht. "Einen Komapatienten gab es nicht", sagte die Wiener Berufsrettung der APA. Und auch der Wiener Krankenanstaltenverbund bestätigte, dass der Mann ansprechbar sei. Das UKH Meidling, wo der Mann laut den ursprünglich verbreiteten Gerüchten notoperiert worden sein soll, hat keine bei der Demonstration verletzten Patienten aufgenommen. Auch Polizeisprecher Patrick Maierhofer widerlegte gegenüber dem STANDARD das Gerücht: Es handle sich um eine mittelschwerer Kopfverletzung, sagte er, der Verletzte sei ansprechbar und nicht im Koma.

Der verletzte "Identitäre" musste wegen seiner Kopfverletzungen operiert werden. Die Operation sei gut verlaufen, derzeit bestehe keine Lebensgefahr, hieß es vom Wiener Krankenanstaltenverbund. Im Koma war der Mann demnach allerdings nicht, sondern auch nach der Operation ansprechbar.

Insgesamt hat die Wiener Berufsrettung 13 im Zuge der Demonstrationen am Samstag verletzte Personen registriert, davon wurden vier ins Krankenhaus gebracht. Zwei (darunter auch der junge "Identitäre") hatten demnach Kopfverletzungen, ein Polizist hatte einen Schlag abbekommen. Die meisten Verletzungen waren demnach Folge des Pfeffersprayeinsatzes der Polizei und wurden vor Ort behandelt.

Pfefferspray-Einsatz wird geprüft

Allerdings kursierten via Social Media Videos, die nahelegen, dass das Reizgas auch ohne vorherige Attacken auf Beamten oder andere Demonstranten eingesetzt wurde. Der Sachverhalt sei angesichts der oft nur wenige Sekunden dauernden Videos schwer zu überprüfen, hieß es dazu auf APA-Anfrage bei der Wiener Polizei. Beispielsweise könnte der Einsatz auch dann gerechtfertigt sein, wenn es darum gehe, passiven Widerstand gegen das Vorrücken der Einsatzkräfte zu überwinden. Man werde den Einsatz des Pfeffersprays aber auf jeden Fall anhand der Waffengebrauchsmeldungen der Beamten prüfen: "Wenn es eine Übertretung gegeben haben sollte oder einen nicht sachgemäßen Waffengebrauch, werden wir uns das anschauen."

Kritik am "aggressiven Pfeffersprayeinsatz der Polizei" kam von der Sicherheitssprecherin der Wiener Grünen, Birgit Hebein. FPÖ-Landesparteisekretär Anton Mahdalik forderte die "linken Stiefeltruppen" dagegen auf, "auf ein paar Spritzer Pfefferspray nicht memmenhaft zu reagieren". Der Einsatz gegen "linksradikale Gewalttäter" sei völlig in Ordnung. Wiens ÖVP-Chef Gernot Blümel lehnte "reflexartige Polizeibeschimpfungen" ab. (maa, bed, os, APA, 12.6.2016)