Andreas Schieder wirft Reinhold Lopatka "Taschenspielertricks" vor. Schieder: "Lopatka hat sich vor dem Team Stronach und der FPÖ, mit denen er einen Deal hatte, blamiert."

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Margit Kraker, die als neue Rechnungshof-Präsidentin feststeht, ist für Andreas Schieder nur zweite Wahl, wie der SPÖ-Klubchef im STANDARD-Interview festhält. Dennoch hat Kraker am Donnerstag im Hauptausschuss des Nationalrats im zweiten Wahlgang die Stimmen der SPÖ bekommen – um die schwarz-blaue Kandidatin Helga Berger zu verhindern. Die SPÖ hat schließlich gegen ihren eigenen Kandidaten Gerhard Steger gestimmt, der keine Mehrheit bekommen hätte.

Das Koalitionsklima ist nach dieser Wahl schwer belastet, Klubobmann Schieder macht dafür im Interview die "Taschenspielertricks und Giftküche" verantwortlich, mit denen der ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka arbeite. Trauen könne er Lopatka nicht mehr, erklärt Schieder. Es sei immerhin gelungen, "einen Keil zwischen Lopatka und die FPÖ" zu treiben, er habe Lopatkas Plan "zerstört". Die Opposition ist über die Vorgänge rund um die Wahl empört.

STANDARD: Wie unzufrieden sind Sie mit der Kandidatin Margit Kraker?

Schieder: Ich glaube, dass Frau Kraker eine gute Rechnungshof-Präsidentin sein wird, sie ist sehr penibel und genau, sie wird auch objektiv sein. Sie war im Hearing aus unserer Sicht die Zweitbeste. Gerhard Steger war der Beste. Aber sie ist jedenfalls topqualifiziert für diesen Posten. Unser Kandidat Steger hat im ersten Wahlgang leider keine Mehrheit gehabt. Es war klar, dass sich daran nichts ändern wird.

STANDARD: Ist es nicht peinlich, wenn Sie im zweiten Wahlgang gegen Ihren eigenen Kandidaten stimmen?

Schieder: Nein. Was wäre passiert? Wir stimmen weiter für den eigenen Kandidaten, und der bekommt immer weniger Stimmen. Im ersten Wahlgang waren es SPÖ, Grüne, Neos und Team Stronach. Im zweiten Wahlgang hat das Team Stronach schon für Helga Berger gestimmt, weil es diesen Deal mit Lopatka gegeben hat. Es war klar, dass wir leider für Steger keine Mehrheit zusammenbringen würden. Dann muss man in der Demokratie auch in der Lage sein, nach der erstbesten Wahl die zweitbeste durchzubringen.

STANDARD: Im Parlamentsplenum hätte es möglicherweise eine Mehrheit für Steger geben können.

Schieder: Nein, wir haben uns das genau überlegt, wir hätten im Plenum keine Mehrheit für Steger geschafft.

STANDARD: Das klingt nach Erpressung durch die ÖVP: Entweder ihr nehmt Margit Kraker als das kleinere Übel, oder ihr bekommt Helga Berger.

Schieder: Für uns war es im Sinne eines lebhaften Parlaments wichtig, dass nicht von vornherein eine Koalitionslösung abgestimmt wird und jeder einmal für seinen Kandidaten stimmt. Hätte sich eine Chance ergeben, dass sich im Zuge der Debatte noch eine Mehrheit für Steger ergibt, hätten wir weiterdiskutiert. Das war aber nicht der Fall. Daher haben wir uns anders entschieden. Kraker war die Zweitbeste im Ranking, um es ganz offen zu sagen, unabhängig davon, wer sie nominiert hat, auch besser als andere Kandidatinnen. Daher war klar, dass wir schauen wollten, dass die Zweitbeste eine Mehrheit kriegt. Die ÖVP hatte offensichtlich eine ganz andere Taktik: Lopatkas Plan war, dass Helga Berger im zweiten Wahlgang mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und dem Team Stronach gewählt wird, das war schon so ausgemacht. Wir haben also Lopatkas Plan, Berger durchzubringen, zerstört und einen Keil zwischen Lopatka und die FPÖ getrieben, weil ja ausgemacht war, dass im zweiten Wahlgang Berger das Rennen macht. Sie hat es aber nicht gemacht.

STANDARD: Was bedeutet das jetzt für die Koalitionsarbeit? Zu einem guten Vertrauensverhältnis kann das ja nicht beitragen.

Schieder: Ich glaube, dass die letzten Wochen schlecht waren für die Koalitionsarbeit. Wegen dieser Taschenspielertricks und der Giftküche, mit der Lopatka arbeitet. Diese Erfahrung, die er jetzt machen musste, sollte heilsam sein: Erstens ist jetzt klar, dass es mit uns solche Spielchen nicht gibt, zweitens hat sich Klubchef Lopatka vor der FPÖ und dem Team Stronach, mit denen er den Deal hatte, blamiert. Drittens ist er jetzt vermutlich auch in seinem eigenen Klub massiv unter Druck geraten, weil ein Großteil der Abgeordneten, die sich in der Frage Rechnungshof engagiert haben, mit diesen Spielchen nichts anfangen konnten und ihm geraten haben, sich das zu sparen, weil es schlecht ausgehen wird.

STANDARD: Wie soll das weitergehen? Sie haben es mit einem Klubobmann auf der anderen Seite der Koalition zu tun, dem Sie nicht trauen können.

Schieder: Das habe ich aber vorher auch schon gewusst. Es gibt im ÖVP-Klub aber viele andere, mit denen ich eine sehr gute, tragfähige und belastbare Beziehung habe.

STANDARD: Sie glauben also, dass eine gemeinsame Koalitionsarbeit in Zukunft möglich sein wird?

Schieder: Was mich positiv stimmt, ist der Umstand, dass wir mit den Oppositionsparteien, vor allem mit den Grünen und den Neos, aber auch mit der FPÖ, im Zuge dieser Wahl des Rechnungshof-Präsidenten eine offene Gesprächskultur etablieren konnten. Wir haben uns mit Strolz und Glawischnig regelmäßig ausgetauscht. Auch mit Strache. Er sagte offen, dass er nicht für Steger ist. Es ist schade, dass es nicht möglich war, als Koalition gemeinsam mit der Opposition vorzugehen. Das hat leider Lopatka unterlaufen. Andererseits finde ich, dass es nun zu den anderen Parteien wirklich eine gute Gesprächsbasis gibt, und das ist in Hinblick auf ein lebendiges Parlament auch viel wert. (Michael Völker, 9.6.2016)