Brüssel/Athen/Ankara/München – Die EU-Kommission geht weiterhin davon aus, dass der "Flüchtlingsdeal" mit der Türkei funktioniert. Bisher seien 449 Migranten von Griechenland in die Türkei zurückgebracht und 449 weitere syrische Flüchtlinge auf EU-Staaten aufgeteilt worden, sagte eine Sprecherin am Donnerstag.
Die Länder, die syrische Flüchtlinge im Rahmen des Eins-zu-eins-Abkommens mit der Türkei aufgenommen haben, sind nach Angaben der Kommission Deutschland, Finnland, die Niederlande, Schweden, Italien und Luxemburg.
Außerdem habe der Flüchtlingsstrom Richtung Griechenland deutlich nachgelassen. Waren es in den vergangenen Wochen noch täglich rund 110, seien es in den letzten beiden Tagen nur mehr jeweils acht Personen gewesen.
Athens Abschiebungen 2015 gesunken
Griechenland hat 2015 so wenige Migranten abgeschoben wie seit vier Jahren nicht mehr. So wurden 14.390 Menschen aus Nicht-EU-Staaten zur Ausreise gezwungen, wie aus Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat hervorgeht. Das waren fast halb so viele wie 2014 und 80 Prozent weniger als 2008.
In den vergangenen sieben Jahren schoben die griechischen Behörden nur im Jahr 2011 mit 10.585 Personen noch weniger Menschen ab als 2015. Zugleich reisten 2015 laut EU-Grenzschutzagentur Frontex mit 885.000 Migranten so viele Menschen über das östliche Mittelmeer und Griechenland illegal nach Europa ein wie nie zuvor.
1.091 Flüchtlinge vor Italien gerettet
Internationalen Einsatzkräften zufolge wurden seit Mittwoch 1.091 Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet. Sie befanden sich an Bord mehrerer Schlauchboote, die in Sicherheit gebracht wurden, teilte die italienische Küstenwache mit. Nach Angaben des Flüchtlingshochkommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) sind seit Anfang des Jahres 48.000 Menschen per Boot in Süditalien eingetroffen. Das entspricht einem Rückgang von 1,5 Prozent im Vergleich zum Vergleichszeitraum 2015. Die meisten Personen stammten aus Nigeria, Gambia, Somalia, der Cote d'Ivoire und Eritrea.
Sobotka in Bayern: Einigkeit
Bayern und Österreich erwarten von der italienischen Regierung, dass sie alles tut, um die Außengrenzen des Schengenraumes zu schützen, und jeden Einreisenden kontrolliert und registriert. So lautete der Tenor nach einem Treffen von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) mit seinem bayrischen Kollegen Joachim Herrmann (CSU) am Donnerstag. Sobotka sicherte Herrmann die Fortsetzung der konsequenten Flüchtlingspolitik zu. Ein "Aushebeln der Rechtsstaatlichkeit" wie im Vorjahr dürfe "kein zweites Mal stattfinden", sagte Sobotka nach dem Treffen in München.
Bayerns Innenminister begrüßte die Bereitschaft Österreichs "nachdrücklich", auf eine Zunahme des Flüchtlingszustroms über Italien nötigenfalls mit Kontrollen am Brenner und anderen Grenzübergängen zu Italien zu reagieren.
Doskozil in Budapest: "Dialog verstärken"
In Ungarn zu Besuch war am Donnerstag Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ), der den "Dialog mit Ungarn verstärken" will. Er traf in Budapest neben seinem Amtskollegen István Simicskó auch Parlamentspräsident László Kövér und Vertreter der ungarischen Sozialdemokraten.
Die Zahl der täglichen Grenzübertritte aus Ungarn stieg zuletzt wieder auf rund 150. Der Großteil kommt aufgrund der Schließung der Balkanroute mithilfe von Schleppern und wurde in Ungarn bereits registriert. Doskozil will sich daher für die Wiederaufnahme von Dublin-Rückführungen nach Ungarn einsetzen.
Kurz: Bis Jahresende genug Wertekurse
Für jene Flüchtlinge, die bereits in Österreich sind und Asyl bekommen, sicherte Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) am Donnerstag zu, dass die Zahl der Wertekurse bis Jahresende so weit ausgebaut sein werde, dass das Angebot für alle ausreicht. Sobald das der Fall sei, werde der Besuch der Kurse für die Asylberechtigten verpflichtend, bei Nichtbeachtung soll es Sanktionen wie die Kürzung der Mindestsicherung geben, kündigte Kurz bei einer Pressekonferenz in Klagenfurt an.
Kurz präsentierte die vom Österreichischen Integrationsfonds organisierten Kurse gemeinsam mit dem Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) und hob die Notwendigkeit hervor, den Flüchtlingen die hier geltenden Werte zu vermitteln. Das geschehe inzwischen bereits in den Deutschkursen. Neben der Sprache und den Werten sei die Integration in den Arbeitsmarkt zentral. "Wir gehen von 50 Prozent aus, die Asyl bekommen", rechnete Kurz vor. Das Arbeitsmarktservice habe sich zum Ziel gesetzt, in fünf Jahren die Hälfte von ihnen auf dem Arbeitsmarkt unterzubringen, "das ist ein sehr ambitioniertes Ziel". (APA, red, 9.6.2016)