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Assistenzpädagogen sollen als Unterstützung der diplomierten Kindergartenpädagoginnen bei der Bildungsarbeit eingesetzt werden.

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Im Rahmen des vom Sozialministerium geförderten Kurses erhalten die angehenden Pädagoginnen und Pädagogen auch Musikunterricht.

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Donnerstagvormittag bei Equalizent, einem Schulungszentrum für Gehörlose in Wien. Hier bereiten sich neun Personen seit Herbst auf die Ausbildung zum Kindergarten-Assistenzpädagogen vor. Heute steht Konfliktmanagement auf dem Lehrplan. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten einen Text des Psychologen Friedemann Schulz von Thun lesen, das "Innere Team". Die Aufgabe: komplizierte Begriffe auf einer Flipchart aufzulisten. "Teamsteuerung" steht da bereits, "Gruppendynamik" und "Professionalität". "An solche Texte müssen Gehörlose anders herangehen, weil das abstrakte Denken bei ihnen nicht so geschult ist", sagt Kursleiterin Sabine Czasch.

Im Herbst werden fünf Kursteilnehmer die Ausbildung an der Bildungsanstalt Bakip 21 in Wien-Floridsdorf beginnen – ein Novum, da Gehörlosen die pädagogische Arbeit im Kindergarten lange verwehrt wurde, wie Czasch erklärt. "Der Passus der Berufseignung sieht Voraussetzungen vor, die Gehörlose nicht erfüllen können." Bisher konnten Gehörlose daher nur Hilfsarbeiten in Kindergärten übernehmen.

Weniger Anforderungen

Seit der Einführung des verpflichtenden Kindergartenjahrs herrscht allerdings Personalmangel – die Stadt Wien schuf also kurzerhand ein neues Berufsbild: das der Kindergarten-Assistenzpädagogen. "Hier sind die Anforderungen weniger streng", sagt Czasch. Gehörlose können nun etwa Gehörlosenpoesie zeigen, anstatt vorzusingen; können Akkordeon anstelle von Gitarre lernen, "was ihnen wesentlich leichter fällt", sagt Czasch. Sie kritisiert, dass Gehörlose in Österreich aktuell nicht nur aus pädagogischen, sondern auch aus vielen anderen Berufen ausgeschlossen würden.

Ein Grund dafür seien Vorurteile – "viele denken, Gehörlose könnten keine guten Mechatroniker oder Kfz-Mechaniker sein", sagt Czasch. Ein Irrglaube, dem die Pädagogin entschieden entgegentreten will: "Es mag sein, dass es ihnen an einem Sinn fehlt, dafür sind ihre anderen Sinne stärker ausgebildet."

Zugang zu Bildung

Als eine weitere Ursache für die prekäre Arbeitssituation Gehörloser gilt deren niedrigeres Bildungsniveau. Von den rund 480.000 hörbehinderten Menschen in Österreich haben laut Equalizent 16 Prozent nicht einmal die Pflichtschule abgeschlossen. Lediglich drei Prozent haben Matura, nur rund 30 gehörlose Menschen studieren aktuell. "Das liegt daran, dass gehörlose Schüler in Österreich kaum in ihrer Erstsprache, der Österreichischen Gebärdensprache, unterrichtet werden." In deutscher Lautsprache ließen sich Inhalte schlechter vermitteln, sagt Czasch.

Ihre Forderung daher: gehörlose Kinder von klein auf stärker in Gebärdensprache zu fördern. Außerdem würde Czasch es gutheißen, wenn die Gebärdensprache in die allgemeine Pädagogik Eingang finden würde. "Sie ist intuitiv verstehbar" – was wiederum auch Kindern mit Sprachproblemen helfen könne. "Ich habe bei meinem Praktikum in einer Kinderkrippe mit den Kleinen Gebärdensprache gesprochen", sagt Christian Fischer, ein Kursteilnehmer, "sie haben es sofort verstanden." (Lisa Breit, 9.6.2016)